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Die Studierendenzahl in Deutschland ist nach wie vorher sehr hoch. Das Studium scheint längst zum Normalfall geworden zu sein. Dabei muss es nicht immer ein Studium sein. Wie sieht die Bildungsentscheidung von Abiturient/innen aus? Welche Faktoren spielen hierbei eine Rolle?

Grundlegende Überlegungen

Das Bundesinstitut für Berufsbildung (BiBB) ist im BWP 1/2019 „Abi und dann? Was Gymnasiastinnen und Gymnasiasten zur Aufnahme einer beruflichen Ausbildung bewegt“ der Frage nachgegangen, welche Schulabgänger/innen trotz Abitur planen eine Ausbildung aufzunehmen. Hierzu wurden Daten aus dem Nationalen Bildungspanel (National Educational Panel Study, oder kurz NEPS) ausgewertet. Die Stichprobe umfasste 2500 Gymnasialschüler/innen der 12. Klasse, welche im ersten Halbjahr dieser Klassenstufe schon eindeutige Angaben bezüglich der Bildungspläne machten. 84 Prozent der Schüler/innen würden demnach ein Studium anstreben, 16 Prozent eine Ausbildung. Dabei sei vor allem auffallend, dass in der Gruppe der Studierwilligen deutlich mehr Schüler/innen mit Migrationshintergrund seien, als in der Gruppe, die eine Ausbildung plane (21 zu 16 Prozent).

Zunächst werden in dem BWP 1/2019 Modelle vorgestellt, die besagen, wie und in welcher Form die Bildungsentscheidung von Abiturient/innen beeinflusst werde. Dies seien sogenannte Erwartungs-mal-Wert-Modelle. Diese würden auf der Idee basieren, dass eine Bildungsoption dann bevorzugt werde, wenn diese mit einem hohen subjektiven Wert und damit einem hohen wahrgenommenen Nutzen verbunden sei und die Person davon überzeugt sei, diese Option erfolgreich zu erreichen.

Weitergehend werden Einflussfaktoren angeführt, die die Einschätzung des Wertes und des Erfolges beeinflussen würden. Hierzu würden personale Faktoren zählen, wie Erwartungen, Interessen, Werte und das Selbstkonzept, ebenso wie soziale und institutionelle Faktoren, wie die Lage des Ausbildungsmarktes, Zulassungsbeschränkungen bei Studiengängen und der Berufsorientierungsprozess.

Kosten- und Nutzeneinschätzungen

Um die Bildungsentscheidung von Abiturient/innen weitergehend zu analysieren, wurde vom BiBB betrachtet, wie die Kosten- und Nutzeneinschätzungen dieser bezüglich der Bildungswege sind. Allgemein sei es so, dass die selbst gewählte Bildungsoption in der Regel positiver bewertet wurde, als von der anderen Gruppe. Dies sei beispielsweise bezüglich der erlebten Informiertheit der beiden Optionen der Fall. Studierwillige fühlten sich demnach besser darüber informiert, welche Zugangschancen und auch -beschränkungen es bei einem Studium gibt, als die Ausbildungswilligen. Diese würden sich wiederrum besser über Möglichkeiten einer Ausbildung informiert fühlen. Nicht zutreffend sei diese generelle Tendenz allerdings im Punkt Finanzierbarkeit. Hier würden beide Gruppe die Finanzierung einer Ausbildung als leichter einschätzen, ebenso wie die zu erwartenden Einkommensverluste während der Ausbildungszeit in beiden Gruppen geringer eingeschätzt würden, als die während eines Studiums.

Bei dem Punkt subjektive Erfolgswahrscheinlichkeit sei es so, dass Ausbildungswillige die Erfolgsaussichten eines Studiums deutlich schlechter einschätzen würden als die Schüler/innen, die ein Studium anstreben. Eine Ausbildung erfolgreich abzuschließen, würden sich wiederrum beide Gruppen zutrauen.

In dem Punkt Nutzenerwartung sehe es anders aus. Hier seien verschiedene Nutzenaspekte zusammengefasst worden, wie das Einkommen, interessante Tätigkeiten, Prestige und Arbeitslosenrisiko nach der Ausbildung bzw. nach dem Studium. Die Nutzenerwartung im Bezug auf das Studium falle dabei in beiden Gruppen gleich groß aus. In Bezug auf die Ausbildung falle die Nutzenerwartung allerdings schlechter aus. Ausbildungswillige würden diese etwas geringer einschätzen, als bei einem Studium und Studierwillige würden den Nutzen als sehr viel geringer einschätzen.

Auch beim Berufsorientierungsprozess gebe es Unterschiede zwischen den Gruppen. Ausbildungswillige würden demnach früher in diesen eintreten, als Studierwillige. Außerdem seien ihre Vorstellungen zu beruflichen Zielen und deren Umsetzungsmöglichkeiten deutlich konkreter.

Ebenfalls im Punkt berufliche Interessen gebe es Unterschiede. Studierwillige seien eher intellektuell-forschend und künstlerisch-sprachlich interessiert, während Ausbildungswillige eher praktisch-technisch interessiert seien.

Der Punkt soziales Umfeld sei weitergehend auch ein Faktor. Demnach sei es bei beiden Gruppen so, dass der Freundeskreis zu einem großen Teil aus solchen Personen bestehe, die dieselben Bildungsaspirationen haben, wie die Person selbst. Ebenfalls hätten beide Gruppen jeweils Informationsquellen zum Studium und der Ausbildung. Bei den Studierwilligen sei es allerdings so, dass diese besonders häufig ihre Eltern als eine Informationsquelle bezüglich eines Studiums nennen würden. In dieser Gruppe sei auch der Anteil der Eltern höher, bei denen mindestens ein Elternteil einen akademischen Abschluss habe. Außerdem vermuten die meisten der Studierwilligen, dass ihre Eltern dies auch als Weg für sie sehen würden.

Ausbildungsentscheidung

Nun wird sich im BWP 1/2019 mit der Frage beschäftigt, was die Bildungsentscheidung von Abiturient/innen so beeinflusst, dass sie eine Ausbildung anstreben. Demnach würden soziodemografische Faktoren keinen Einfluss nehmen. Die Persönlichkeit hingegen sei mit entscheidend dafür, ob sich für eine Ausbildung entschieden werde oder ein Studium. Je gewissenhafter und offener die Schüler/innen seien, desto unwahrscheinlicher sei es, dass diese eine Ausbildung anstreben würden. Wer jedoch ein großes Interesse an praktisch-technischen Tätigkeiten mitbringe, wähle häufiger eine Ausbildung.

Weitergehend sei es so, dass die Ausbildungswahrscheinlichkeit geringer werde, wenn es gute Noten gebe und die selbsteingeschätzte Erfolgswahrscheinlichkeit in Bezug auf ein Studium höher sei. Diese eingeschätzten Erfolgsaussichten würden sich demnach nur aus den schulischen Leistungen ableiten.

Im Bezug auf die möglichen Einflüsse des sozialen Umfelds bei der Bildungsentscheidung von Abiturient/innen sei es so, dass der Bildungsabschluss der Eltern keinen zusätzlichen Einfluss auf die Bildungsentscheidung der Abiturient/innen habe. Wer jedoch vermutet, die Eltern würden sich eine Ausbildung wünschen, wähle diese auch häufiger. Dies treffe auch auf diejenigen zu, die einschätzen, mit einer Ausbildung einen Beruf ergreifen zu können, der auf einem ähnlichen oder sogar besseren Niveau sei, als der der Eltern.

Ebenfalls einen Effekt auf die Ausbildungswahrscheinlichkeit habe eine positive Nutzeneinschätzung einer Ausbildung. Wer einschätze, mit einer Ausbildung attraktive Berufschancen zu haben, würde diese häufiger wählen. Auch wer konkrete Vorstellungen über eigene berufliche Perspektiven habe, würde häufiger eine Ausbildung planen.

Berufsorientierung

Die Bildungsentscheidung von Abiturient/innen wurde damit beleuchtet. Weitergehend wurde in dem BWP 1/2019 darauf eingegangen, was das für die Berufsorientierung bedeuten könnte, im Hinblick darauf, die Attraktivität der Ausbildung zu steigern. Hier sei es zum einen sinnvoll, soziale Beeinflussungsprozesse bei der Bildungsentscheidung, z.B. durch die Eltern, fortlaufend gemeinsam zu reflektieren, um diese bewusst zu machen.

Außerdem wird angeführt, dass es in der Oberstufe angebracht sei, über das breite Spektrum an Ausbildungsvergütung und auch Arbeitsmarkt- und Einkommensperspektiven nach einer Ausbildung zu informieren. Hierbei solle auch auf mögliche Aufstiegsfortbildungen hingewiesen werden.

Ebenfalls solle überlegt werden, das Berufsspektrum bei Berufsorientierungsmaßnahmen zu erweitern, vor allem um intellektuell-forschende und künstlerisch-sprachliche Berufe, da viele Jugendlichen glauben würden, diese seien nur durch ein Studium erreichbar.

Auch der Punkt konkrete berufliche Vorstellungen wird in Bezug auf die Bildungsentscheidung von Abiturient/innen aufgegriffen. Es lasse sich durch die Ergebnisse vermuten, dass einige Studierwillige studieren wollen, um diese konkreteren beruflichen Vorstellungen zu entwickeln. Durch eine frühere Orientierung könne es möglich, dass sich einige dieser Schüler/innen doch für eine Ausbildung entscheiden würden.

Hier finden Sie den BWP 1/2019 des BiBB:

Abi und dann? Was Gymnasiastinnen und Gymnasiasten zur Aufnahme einer beruflichen Ausbildung bewegt

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Über den Autor J Bohlken