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Dass das Studium mittlerweile fast zum Normalfall geworden ist, liegt nicht zuletzt auch daran, dass immer mehr junge Menschen das Abitur machen. Auch dieses wird mittlerweile fast zum Normalfall. Verliert das Abitur seinen Wert?

Aktuelle Situation

Der IW-Ökonom Wido Geis-Thöne hat in der Fuldaer Zeitung einen Gastbeitrag verfasst, sowie den IW-Kurzbericht 18/2019, in denen auch die Frage „ Verliert das Abitur seinen Wert? “ behandelt wird. Dass immer mehr junge Menschen das Abitur ablegen würden, lasse sich demnach an aktuellen Zahlen belegen. So hätten bei den 60- bis 64-jährigen Deutschen nur rund ein Viertel das (Fach-)Abitur. Bei den 20- bis 24-jährigen sei das allerdings bei über die Hälfte anders, denn diese Hälfte machte das (Fach-)Abitur.

Grundsätzlich sei diese Entwicklung eine positive, denn die Schulbildung sei in Zeiten der Globalisierung und Digitalisierung immer wichtiger in allen Bereichen des Lebens. Dass so viele Menschen das Abitur ablegen, dürfe allerdings laut Geis-Thöne nicht durch geringere Leistungsanforderungen erreicht werden.

Dass die Abiturnoten in Deutschland nicht streng genug seien, kritisierte auch der deutsche Philologenverband, der strengere Abiturnoten fordert. Dieser kritisierte in diesem Zusammenhang, dass es eine Diskrepanz zwischen erbrachter Leistung und deren Bewertung gebe. Die Bewertung würde nicht mehr den realen Stand der Schüler wiedergeben, wodurch es zu einer Verzerrung zwischen tatsächlichem Leistungsstand und den Noten komme.

Folgen eines Wertverlusts

Was passieren könnte, wenn die Frage „ Verliert das Abitur seinen Wert? “ mit Ja beantwortet wird, führt Geis-Thöne weitergehend aus. Demnach würde ein Wertverlust des Abiturs zum einem auch zu einem Wertverlust an und für die Hochschulen führen. Aber auch die Förderung leistungsstarker Schüler/innen sei dann nicht mehr adäquat möglich, denn sie würden möglicherweise ihre Potenziale nicht mehr voll ausschöpfen, da gute Noten auch mit geringeren Leistungen erreicht werden könnten. Diese Argument geht mit dem oben genannten des deutschen Philologenverbandes einher, die ebenfalls anmerken, dass die Bewertung gegenüber der tatsächlichen Leistung meist zu gut sei.

Diese Folge könnte laut Geis-Thöne zwar zu einem gewissen Maße durch außerunterrichtliche Angebote (wie Bundeswettbewerbe) aufgefangen werden, da diese auch zur gezielten Förderung beitragen würden. Die Teilnahme an solchen Angeboten hänge allerdings von dem Engagement von Eltern und Lehrkräften ab, ebenso wie von anderen äußeren Rahmenbedingungen. Deshalb sei es wichtig, die Förder- und Forderung von leistungsstarken Schüler/innen sicherzustellen. Diese seien meist nämlich Leistungsträger der Zukunft.

Immer mehr mit Spitzenabitur

Um die Frage „ Verliert das Abitur seinen Wert? “ weitergehend zu klären, führt Geis-Thöne aktuelle Zahlen zu Spitzennoten im Abitur und dessen zeitliche Entwicklung an. Die Zahl der Abiturient/innen mit einem Durchschnitt von 1,4 oder besser, habe in Hessen 2006 noch bei ca. 1200 gelegen. 2017 sei es beinahe zu einer Verdopplung dieser Zahl gekommen, denn sie lag dort bei 2200. Bei den Bevölkerungsanteilen im typischen Alter für die Abiturprüfungen sei ebenfalls ein deutlicher Anstieg zu verzeichnen. So sei der Anteil von 1,9 Prozent auf 3,3 Prozent gestiegen, also um 1,4 Prozent. Diese Werte würden auch nah am Bundesschnitt liegen. 2006 hätten deutschlandweit rund 15000 Menschen das Abitur mit 1,4 oder besser erlangt. 2017 seien es schon 27748 Menschen gewesen. Der Anteil sei bundesweit von 1,7 Prozent auf 3,3 Prozent gestiegen.

Betrachte man die Entwicklung der Abiturient/innen mit der Note 1,0, so sei diese Entwicklung noch deutlicher zu erkennen. Hier sei die Zahl bundesweit von 2529 im Jahr 2006, auf 5769 im Jahr 2017 gestiegen.

Immer mehr leistungsstarke Schüler/innen?

Diese Zahlen allein belegen allerdings noch nicht, dass die Frage „ Verliert das Abitur seinen Wert? “ mit Ja zu beantworten ist. Dies führt auch Geis-Thöne an, der schreibt, dass es auch sein könne, dass immer mehr Abiturient/innen ein hohes schulisches Leistungsniveau erreichen würden. Wenn dies zutreffend wäre, müsse es sich allerdings auch in den Leistungsstanduntersuchungen der Schüler/innen wiederspiegeln, wie den Pisa-Studien. Das sei allerdings nicht der Fall, es sei sogar eher das Gegenteil der Fall, denn die Spitzengruppe in den Naturwissenschaften und Mathematik sei in Deutschland sogar im letzten Jahrzehnt kleiner geworden.

Weitergehend spricht Geis-Thöne die bundesweiten Unterschiede in den Abiturnoten an. Der Bevölkerungsanteil der Abiturient/innen mit einem Durchschnitt von 1,4 oder besser sei in den Bundesländern im Jahr 2017 sehr unterschiedlich gewesen. In Brandenburg und Thüringen habe er bei mehr als 5 Prozent gelegen. In Niedersachsen hingegen nur bei weniger als 2 Prozent. Es gebe allerdings keine Hinweise darauf, dass sich die Schüler/innenzahl mit Spitzenleistungen in den Bundesländern wirklich so stark unterscheiden würden, wie es diese Zahlen nahelegen würden. Nicht zuletzt aufgrund des Numerus Clausus in einigen Studienfächern sei es deshalb wichtig, auch die Vergleichbarkeit der Abiturnoten zwischen den Bundesländern zu erhöhen.

Fazit

Die Frage „ Verliert das Abitur seinen Wert? “ kann nicht abschließend geklärt werden. Deutlich ist jedoch, dass immer mehr Kritik an den momentanen Abiturnoten aufkommt, wie durch den deutschen Philologenverband oder auch die Beiträge von Geis-Thöne. Diese bezieht sich zum einen darauf, dass die Noten das tatsächliche Leistungsniveau nicht mehr abbilden würden, da gute Noten zu leicht zu erreichen seien. Dadurch könne es auch dazu kommen, dass leistungsstarke Schüler/innen nicht mehr ausreichend gefördert würden. Darüber hinaus wird auch die mangelnde Vergleichbarkeit der Abiturnoten zwischen den Bundesländern immer wieder aufgegriffen und kritisiert. Hier scheinen demnach Herausforderungen für die Bildungspolitik zu liegen, die es zukünftig zu lösen gilt.

Hier finden Sie den Beitrag und den IW-Kurzbericht von Wido Geis-Thöne:

„Das Abitur darf seinen Wert nicht verlieren“

„Immer mehr Einser-Abiturienten – Und was ist mit den Besten?“

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Über den Autor J Bohlken