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Die Zahl der Studierenden aus Akademikerfamilien nimmt immer mehr zu. Das ergab die 21. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks. Aber woran liegt das? Warum studieren weniger Menschen aus nicht-Akademikerfamilien? Und hat die Bildungsherkunft von Studierenden etwas mit dem Studienerfolg zu tun?

Aktuelle Zahlen

Die 21. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks ergab, dass im Sommersemester 2016 52 Prozent der Studierenden aus einem Haushalt stammten, in dem mindestens ein Elternteil über einen akademischen Abschluss verfügt. Zum Vergleich, 1991 lag dieser Wert noch bei 36 Prozent. Die Erhebung betrachtet die Bildungsherkunft von Studierenden noch etwas genauer und teilt diese vier Gruppen zu:

  • Hoch (Beide Elternteile haben akademischen Abschluss)
  • Gehoben (Ein Elternteil hat akademischen Abschluss)
  • Mittel (Beide Elternteile haben beruflichen, aber nicht akademischen Abschluss)
  • Niedrig (Ein Elternteil hat beruflichen, aber nicht akademischen Abschluss)

In der Erhebung wird deutlich, dass die Zahl der Studierenden mit mittlerer Bildungsherkunft seit 2012 stark rückläufig ist. Zählten 2012 noch 41 Prozent zu dieser Gruppe, waren es 2016 nur noch 36 Prozent. Dafür ist der Anteil unter den Studierenden mit niedriger Bildungsherkunft von 9 Prozent in 2012, auf 12 Prozent 2016 gestiegen. Im Vergleich dazu waren es im Jahr 1991 aber noch 21 Prozent. Eine gehobene Bildungsherkunft hatten 2012 und 2016 28 Prozent der Studierenden. Der Anteil mit hoher Bildungsherkunft ist von 22 Prozent (2012) auf 24 Prozent (2016) gestiegen. Allgemein lässt sich aus diesen Zahlen ein langfristiger Trend erkennen. Die Zahl der Studierenden aus einem hochschulnahen Elternhaus wächst kontinuierlich an, zur Last der Studierenden aus nicht-Akademikerfamilien.

Mögliche Ursachen

Aber woran könnte diese Entwicklung liegen? In der quantitativen Untersuchung „Diversität und Studienerfolg“ vom Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) wird der Übergang in die Sekundarstufe als frühe langfristige Bildungsentscheidung angeführt. Als schematische Darstellung sozialer Selektion bei der Bildungsbeteiligung wird der „Bildungstrichter“ aus der 20. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks dargestellt. Betrachtet werden hierbei jeweils 100 Kinder aus Akademiker- und nicht-Akademikerfamilien. 79 Kinder aus Akademikerfamilien besuchen die gymnasiale Oberstufe und 21 Kinder eine berufliche Schule. Von diesen 79 Akademikerkindern in der gymnasialen Oberstufe schaffen 84 Prozent den Sprung in eine Hochschule. Von den 21 Kindern an einer beruflichen Schule schaffen dies 52 Prozent. Insgesamt studieren also im Schnitt 77 der 100 Akademikerkindern. Anders sieht das bei den Kindern aus nicht-Akademikerfamilien aus. Hier besuchen 43 Kinder die gymnasiale Oberstufe und 57 eine berufliche Schule. Von den Kindern aus der gymnasialen Oberstufe studieren 37 Prozent, bei den Kindern aus beruflichen Schulen sind es gerade einmal 12 Prozent. Von den 100 Kindern aus nicht-Akademikerfamilien studieren also nur 23. Dies macht deutlich, wie stark selektiv das deutsche Hochschulsystem ist.

Neben der Selektivität des Hochschulsystems ist auch die finanzielle Belastung eine mögliche Ursache dafür, dass weniger Studierende aus nicht-Akademikerfamilien kommen. Aus der 21. Sozialerhebung geht hervor, dass nur 51 Prozent der Bildungsherkunft niedrig ihre Finanzierungssituation als gesichert bewerten. Bei den Studierenden der Bildungsherkunft hoch tun dies hingegen 81 Prozent. Zusätzlich dazu ist die Zahl der Studierenden, die BAföG beziehen mit 18 Prozent im Sommersemester 2016 so niedrig wie noch nie, seit den 90er-Jahren.

Ein weiterer Faktor für die Entwicklung ist die Motivation. Kinder aus nicht-Akademikerfamilien haben keine Vorbilder, die studiert haben, an denen sie sich orientieren könnten. Sie schöpfen seltener ihr Potenzial aus. Hier spielt auch ein Informationsdefizit eine Rolle. Viele wissen nicht über Stipendien, Studienfinanzierung, Studienablauf oder hilfreiche Organisationen Bescheid.

Bildungsherkunft von Studierenden und Studienerfolg

Wirkt sich die Bildungsherkunft von Studierenden auf deren Studienerfolg aus? Um diese Frage zu beantworten zieht die oben genannte quantitative Untersuchung des CHE die soziale Adaption heran. Die soziale Adaption wird als maßgeblicher Faktor für den Studienerfolg gesehen. Erfolgt die soziale Integration nicht, kann das zu einer erhöhten Wahrscheinlichkeit eines Studienabbruchs führen. Der Begriff soziale Adaption wird in der Untersuchung in die Konstrukte „Unterstützung annehmen“ und „soziale Integration“ aufgeteilt. Soziale Integration beinhaltet die Interaktion mit Kommiliton*innen und Lehrenden. Unterstützung annehmen beinhaltet das Wissen, wo Unterstützungsmöglichkeiten sind und das Annehmen von Hilfe. Betrachtet man die Auswertung der sozialen Adaption von Studierenden aus Akademiker- und nicht-Akademikerfamilien an Universitäten und Fachhochschulen wird klar, dass Studierende aus Akademikerfamilien an beiden Hochschulformen bessere Werte aufweisen. An Fachhochschulen spielt die Bildungsherkunft bei der sozialen Adaption allerdings eine kleinere Rolle, als an Universitäten. An Universitäten hingegen sind Studierende aus nicht-Akademikerfamilien die am schlechtesten adaptierte Gruppe. Gerade hier haben Studierende aus nicht-Akademikerfamilien also Probleme „hereinzupassen“. Das kann daran liegen, dass sich bspw. die Sprache an Universitäten nicht verändert hat und es Studierenden aus nicht-Akademikerfamilien dadurch schwer fällt, diesem Sprachstil zu folgen und ihn zu übernehmen. Aber auch Verhaltenserwartungen können an Universitäten besonders hoch sein (Disziplin zum Selbststudium). Studierenden aus nicht-Akademikerfamilien kann es auch hier schwerfallen, diesen gerecht zu werden.

Fazit

Die Bildungsherkunft von Studierenden spielt also sowohl bei dem Hochschulzugang, als auch bei der sozialen Adaption und damit dem Studienerfolg eine Rolle. An deutschen Hochschulen gibt es immer mehr Studierende aus Akademikerfamilien. Kinder aus nicht-Akademikerfamilien werden schon früh selektiert. Schon der Übergang in die Sekundarstufe stellt eine solche Selektion dar. Außerdem fehlt es ihnen häufig an Vorbildern, Motivation und Wissen. Wissenslücken bezüglich Finanzierung, Studienablauf oder ähnliches könnten durch Beratungsangebote an bspw. den Schulen geschlossen werden. Eine mögliche außerschulische Hilfe ist ArbeiterKind. Dieses Angebot richtet sich an Menschen, die als erstes in ihrer Familie studieren wollen und bietet Unterstützung an.

Aber nicht nur der Hochschulzugang steht im Zusammenhang mit der Bildungsherkunft von Studierenden, sondern auch der Studienerfolg. Die soziale Adaption fällt Studierenden aus nicht-Akademikerfamilien besonders an Universitäten schwer. Damit kann auch der Studienerfolg negativ beeinflusst werden. An Fachhochschulen ist dieser Effekt nicht so ausgeprägt, was auf die dort herrschenden Strukturen zurückzuführen ist (kleinere Gruppen, mehr Praxisnähe, etc.). Durch spezifische Maßnahmen könnten Universitäten Studierenden aus nicht-Akademikerfamilien die soziale Adaption erleichtern.

Hier finden Sie die 21. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks und die quantitative Untersuchung des CHE:

21. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks

„Diversität und Studienerfolg“, quantitative Untersuchung vom Centrum für Hochschulentwicklung

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Über den Autor J Bohlken