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Dass Kinder beim Erlernen des Umgangs mit Zahlen und Mengen anfänglich Fehler machen kommt häufig vor. Halten die Probleme jedoch länger an, ohne dass sich Besserung zeigt, kann es sein, dass eine Dyskalkulie, also eine Rechenstörung vorliegt. Spätestens dann fragen sich die Eltern: Hat mein Kind Dyskalkulie? Was sind Anzeichen? Wie geht man damit um?

Hat mein Kind Dyskalkulie? – Definition

Bevor die Frage „ Hat mein Kind Dyskalkulie? “ beantwortet werden kann, muss man sich darüber klar werden, was genau Dyskalkulie ist. Bei der Dyskalkulie bzw. Rechenstörung sind laut Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Rechenfertigkeiten beeinträchtigt. Diese Beeinträchtigung darf nicht durch eine Intelligenzminderung oder eine nicht zielführende Beschulung erklärbar sein.

Die Beeinträchtigung zeigt sich vor allem bei den grundlegenden Rechenfertigkeiten. Die Addition, Subtraktion, Division und Multiplikation sind von der Störung betroffen und werden deshalb nicht oder nur unzureichend beherrscht, da Betroffene in ihrem Mengenverständnis und ihrer Zählfertigkeit beeinträchtigt sind. Oft werden Zahlen nicht als Mengenangaben wahrgenommen, sondern lediglich als Symbole bzw. als etwas Nichtssagendes. Weniger betroffen sind Bereiche der höheren Mathematik, wie Algebra oder Trigonometrie.

Die Dyskalkulie oder Rechenstörung ist als schulische Entwicklungsstörung von der WHO anerkannt und steht im Diagnoseklassifikationssystem ICD-10 (F81.2 Rechenstörung). Sie beginnt meist früh und hat oft einen chronischen Verlauf.

Ursachen

Auch die Ursachen einer Dyskalkulie bzw. Rechenstörung spielen bei der Frage „ Hat mein Kind Dyskalkulie? “ eine Rolle. Die Ursachen sind noch nicht abschließend geklärt, aber es scheinen mehrere Faktoren eine Rolle zu spielen. Zum einen ist eine genetische bzw. erbliche Komponente wahrscheinlich, da in Studien eine familiäre Häufung gefunden wurde. Außerdem scheint es einen neurobiologischen Faktor zu geben. So sind verschiedene Gehirnregionen, die für die Zahlen- und Mengenvereinbarung zuständig sind, bei Betroffenen in ihren Funktionsweise verändert. In Studien haben diese bei Betroffenen nicht die typische Aktivität beim Lösen von Rechenaufgaben gezeigt. Sie waren weniger aktiv, als bei nicht Betroffenen.

Symptome und Folgen

Denkt man über die Frage „ Hat mein Kind Dyskalkulie? “ nach, macht man sich vermutlich auch über Symptome Gedanken. Das fehlende mathematische Verständnis steht dabei im Mittelpunkt. Dabei muss die Rechenleistung unter dem Niveau liegen, das aufgrund der allgemeinen Intelligenz, des Alter und der Klassenstufe zu erwarten ist. Dabei sind die wirklich gezeigten bzw. auftretenden Symptome von Person zu Person unterschiedlich. Mögliche Symptome, die im Vorschulalter auftreten können, sind:

  • Schwierigkeiten bei Mengen- und Verhältniszuordnungen (weniger/mehr, größer/kleiner)
  • Schwierigkeiten dabei, Mengen zu Zahlen zuzuordnen
  • Schwierigkeiten Gegenstände/anderes zu zählen/abzuzählen
  • Schwierigkeiten, mit Maß- und Mengeneinheiten umzugehen (Längenmaße, Geld, …)

Die auftretenden Symptome in der Grundschule, sind meist schon spezifischer. Mögliche Symptome können hier sein:

  • Schwierigkeiten dabei, Zahlen zu benennen/schreiben
  • Benötigen von viel Zeit zum Lösen von Rechenaufgaben
  • Nutzung von Hilfsmitteln zum Lösen von Rechenaufgaben (Fingerabzählen, etc.)
  • Verwechslung von Rechenarten
  • Schwierigkeiten, grundlegende Rechenlogik zu verstehen (auswendig lernen von Rechenschritten, ohne sie an Aufgabenstellung anzupassen)
  • Schwierigkeiten beim Umgang mit Mengen
  • Schwierigkeiten dabei, Textaufgaben in Zahlen zu übersetzen
  • Schwierigkeiten mit Stellenwerten und dem Dezimalsystem

Jede Dyskalkulie ist dabei anders und individuell. Die oben beschriebenen Symptome haben in der Regel aber noch weitreichendere Folgen, wie beispielsweise:

  • Negatives Selbstbild/emotionaler Stress durch Versagensängste und Gefühl von Misserfolg
  • Aggressionen, Unlust
  • Rückzugsverhalten
  • Psychosomatische Beschwerden (Bauchschmerzen, Übelkeit, …)
  • Verringerte Lernmotivation
  • Angst vor Mathematik (ausgeprägt und auffällig)
  • Vermeidungsverhalten

Hat mein Kind Dyskalkulie? Diagnostik

Wenn der Verdacht auf eine Rechenstörung vorliegt und man sich noch immer fragt „ Hat mein Kind Dyskalkulie? “, so ist der Gang zu einem Arzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie oder Kinder- und Jugendpsychotherapeuten angebracht. Hier wird eine Diagnostik durchgeführt, um festzustellen, ob wirklich eine Rechenstörung vorliegt.

Dabei kommen meist standardisierte neuropsychologische Tests zum Einsatz. Hierzu gehören beispielsweise Rechentests und Intelligenztests. Außerdem wird ein Gespräch über die Entwicklung des Kindes, sowie über die familiäre Situation geführt. Ebenfalls einbezogen werden die schulischen Leistungen und das Verhalten des Kindes im Unterricht, anhand eines Schulberichts. Außerdem wird weitere Diagnostik durchgeführt, um andere Erkrankungen auszuschließen (bspw. Seh- und Hörstörungen). Auch die kognitiven Fähigkeiten werden getestet, wie die Informationsverarbeitung. Ebenfalls von Bedeutung sind die Konzentrationsfähigkeit und die Aufmerksamkeitsfähigkeit, welche auch getestet werden.

Was tun nach einer Diagnose?

Wurde die Frage „ Hat mein Kind Dyskalkulie? “ mit einem Ja beantwortet, ist das kein Grund zur Verzweiflung. Mit einer frühen Diagnose und einer ganzheitlichen Therapie, können große Lernfortschritte erzielt werden. Die Lerntherapie sollte dabei eine pädagogisch-psychologische Förderung beinhalten, eine individuelle Förderung und Lehr- und Lernmethoden auf Grundlage therapeutischer Diagnostik, die die individuellen Stärken und Schwächen des Betroffenen aufgreifen.

Wie genau vorgegangen wird, sollte im Einzelfall entschieden werden, da die Förderschwerpunkte sehr unterschiedlich sein können. Deshalb sollten im Vorfeld die individuellen Lernvoraussetzungen, Schwierigkeiten, Bedürfnisse, Ziele und Stärken genau erfasst bzw. ermittelt werden.

Darüber hinaus sollte darauf geachtet werden, dass die gewählte Therapieform nachgewiesen wirksam ist.

Auch die familiäre Unterstützung ist wichtig. Hier ist vor allem die Stärkung des Selbstwertgefühls des Kindes wichtig. Es sollte kein unnötiger weiterer Druck auf das Kind aufgebaut werden, sondern dieser vielmehr genommen werden. Dabei sollte deutlich gemacht werden, dass die vorliegende Störung nichts mit der Intelligenz des Kindes zutun hat und es mit den Problemen nicht allein ist. Außerdem sollte klargemacht werden, dass die Situation mit Förderung und Anstrengung verbessert werden kann.

Fazit

Stellen Eltern sich die Frage „ Hat mein Kind Dyskalkulie? “, sollten sie sich zunächst mit dem Thema auseinandersetzen. Es gibt eine Reihe von Symptomen, die im Rahmen einer Rechenstörung auftreten können. Wichtig ist, dass die Rechenleistung unter dem Niveau liegt, welches aufgrund des Alters, der Intelligenz und der Klassenstufe erwartet werden kann. Zentral dabei ist das fehlende mathematische Verständnis. Ebenfalls häufig ist es, dass betroffene Kinder ein negatives Selbstbild haben. Steht der begründete Verdacht einer Dyskalkulie im Raum ist es deshalb ratsam, einen Kinder- und Jugendpsychiater oder –psychotherapeuten zur diagnostischen Abklärung aufzusuchen. Bestätigt sich der Verdacht, kann eine Therapie begonnen werde, in der gute Erfolge erzielt werden können. Im Fokus der elterlichen Unterstützung sollte die Verbesserung des Selbstwerts stehen und das rausnehmen von Druck.

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Über den Autor J Bohlken