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Es gibt immer mehr Studierende und das Studium wird immer mehr zum Normalfall. Da ist es wenig verwunderlich, dass die Zahl der Studierenden mit einer Behinderung oder psychischen Erkrankung ebenfalls weiter ansteigt. Wie viele Studierende mit einer studienrelevanten Beeinträchtigung gibt es? Wie sind sie beeinträchtigt?
Entwicklung
Seit 1979 erhebt das Deutsche Studentenwerk mithilfe eines Fragebogens alle drei Jahre im Rahmen ihrer Sozialerhebung, wie viele Studierende mit einer studienrelevanten Beeinträchtigung wie eine Behinderung oder psychische Erkrankung es gibt. Damals waren es 118 Studierende, auf die dies zutraf. Dieser Zahl und auch der Anteil der Studierenden mit einer Beeinträchtigung hat sich seitdem erhöht. Hier einige Anteile verschiedener Jahre der Befragung des Deutschen Studentenwerkes im Vergleich:
- 1988: 5,7 Prozent
- 1991: 6,4 Prozent
- 1994: 6,5 Prozent
- 1997: 6,6 Prozent
- 2000: 6,6 Prozent
- 2006: 8,4 Prozent
- 2012: 7,0 Prozent
- 2016: 11 Prozent
Die 11 Prozent der Studierenden mit einer studienrelevanten Beeinträchtigung in 2016 bedeuten in Zahlen, dass ca. 264000 Studierende betroffen waren. Dabei entfiel über die Hälfte der Beeinträchtigungen auf psychische Erkrankungen, an zweiter Stelle folgten die chronisch somatischen Erkrankungen (bspw. Rheuma oder Multiple Sklerose), auf Platz 3 die Sinnes- und Bewegungsbeeinträchtigungen und auf Platz 4 die Teilleistungsstörungen wie Legasthenie.
Schwierigkeiten während des Studiums
Diese Beeinträchtigungen ziehen für fast alle der Studierenden nach eigenen Angaben Schwierigkeiten nach sich, ihr Studium bewältigen zu können, so die Ergebnisse der „beeinträchtigt studieren – best2“ Studie. Dabei haben die meisten Schwierigkeiten im Zusammenhang mit Prüfungen. Ähnlich viele haben Probleme mit dem Lernen und der Studienorganisation. Ebenfalls viele Studierende haben mit persönlichen Kontakten sowie der Kommunikation an der Hochschule Probleme. Eine eher untergeordnete Rolle spielen bauliche Barrieren oder eine nicht ausreichende räumliche Ausstattung der Hochschule.
Nachteilsausgleiche
Studierende mit einer studienrelevanten Beeinträchtigung können, genau wie Schüler/innen mit einer Beeinträchtigung, einen individuellen Nachteilsausgleich beantragen, um die Schwierigkeiten im Studium zu senken und die Beeinträchtigungen zu kompensieren. So können fehlende Gestaltungsspielräume in der Studienorganisation ausgeglichen werden und es können Prüfungsbedingungen angepasst werden. Dabei müssen die Nachteilsausgleiche erforderlich und angemessen sein.
Studierende mit einer studienrelevanten Beeinträchtigung haben einen gesetzlichen Anspruch auf solche Nachteilsausgleiche. Dieser Anspruch ist in verschiedenen Gesetzen verankert und zwar im Grundgesetz, in der UN-Behindertenrechtskonvention, im Hochschulrahmengesetz, in den Hochschulgesetzen der Länder, sowie in den Prüfungsordnungen. Außerdem darf nicht auf dem Zeugnis vermerkt werden, dass ein solcher Ausgleich in Anspruch genommen wurde.
Diese Möglichkeit wurde 2016/17 allerdings selten von den Studierenden genutzt. Nur 29 Prozent der Studierenden mit einer solchen Beeinträchtigung haben einen Nachteilsausgleich genutzt bzw. eingefordert. Hinzu kommt, dass nicht alle dieser Anträge bewilligt wird, sondern nur ungefähr 2 von 3 genehmigt werden. Ein möglicher Grund dafür ist, dass Nachteilsausgleiche immer situationsbezogen und individuell beschlossen werden müssen und es dementsprechend keine verbindlichen Vorgaben geben kann.
Auch wenn die Nachteilsausgleiche sehr unterschiedlich aussehen können, so gibt es doch einige Möglichkeiten, die häufiger genutzt werden. Mögliche Nachteilsausgleiche in Bezug auf die Organisation und Durchführung des Studiums können sein: Die bevorzugte Zulassung zu Lehrveranstaltungen mit Teilnahmebeschränkung, die Änderung von Anwesenheitspflichten, ein individueller Studienplan mit verlängerten Abschlussfristen oder auch das Teilzeitstudium. Darüber hinaus gibt es noch zahlreiche andere mögliche Nachteilsausgleiche in diesem Bereich. Mögliche Nachteilsausgleiche bezüglich Prüfungen und Leistungsnachweisen können sein: eine verlängerte Schreib- oder Vorbereitungszeit, Prüfungsformänderungen, die Nichtberücksichtigung von Rechtschreibfehlern (in Klausuren), Fristverlängerungen bei der Prüfungsanmeldung und bei Haus-/Abschlussarbeiten oder eine Erlaubnis Hilfsmittel oder Assistenzen zu nutzen. Auch hier gibt es viele weitere Möglichkeiten für Nachteilsausgleiche. Die Erforderlichkeit und Angemessenheit muss immer in der Situation individuell beurteilt werden.
Fazit
Der Anteil der Studierenden mit einer studienrelevanten Beeinträchtigung hat mit den Jahren zugenommen. 2016 waren 11 Prozent der Studierenden betroffen, wobei über die Hälfte von ihnen an einer psychischen Erkrankung litt. Dies führt bei fast allen der Betroffenen zu Schwierigkeiten während des Studiums. Die meisten Schwierigkeiten würden dabei im Zusammenhang mit Prüfungen bestehen. Die Möglichkeit eines Nachteilsausgleiches werde allerdings nur selten genutzt. Außerdem würden nur 2 von 3 solcher Anträge bewilligt werden. Dies liegt daran, dass Nachteilsausgleiche nur individuell und situationsbezogen beschlossen werden können, denn sie müssen erforderlich und angemessen sein. Deshalb gibt es auch keine verbindlichen Vorgaben für sie. Klar ist jedoch, dass Studierende mit einer studienrelevanten Beeinträchtigung einen rechtliche Anspruch auf solche Nachteilsausgleiche haben, um die Beeinträchtigungen zu kompensieren.
Hier finden Sie die 21. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks:
Hier finden Sie den Endbericht der „beeinträchtigt studieren – best2“ Studie:
Beeinträchtigt studieren – best2
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