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Eine gesunde Ernährung anzustreben und viele gesunde Nahrungsmittel zu konsumieren, ist an sich eine gute Idee. Die gesunde Ernährung tut unserem Körper gut, wir sind fitter und können alles in allem gesünder sein. Was ist jedoch, wenn gesunde Ernährung zum Zwang wird? Ist das der Fall, spricht man von einer Orthorexie oder auch Orthorexia Nervosa, also einem spezifisch gestörten Essverhalten. Was bedeutet das? Was steckt dahinter?

Orthorexie

Die Orthorexie oder auch Orthorexia Nervosa beschreibt ein gestörtes Essverhalten, das dadurch charakterisiert ist, dass die Betroffenen sich stark auf gesunde Ernährung und gesunde Lebensmittel fixieren. Sie leben nach eigens auferlegten Ernährungsregeln, wobei sich alles darum dreht, ausschließlich besonders gesunde Lebensmittel zu konsumieren, die frei von Schadstoffen und anderen möglicherweise schädlichen Inhaltsstoffen sind, da die Angst besteht, durch ungesunde Lebensmittel krank zu werden. Diese Regeln werden mit der Zeit häufig immer strenger und strikter befolgt. Betroffene befassen sich dabei oftmals mehrere Stunden am Tag mit Lebensmitteln, Nährstoffen, Inhaltsstoffen, Schadstoffen und alles weitere zum Thema. Im Verlauf verringert sich so die Menge an Lebensmitteln, die sie konsumieren „können“, da immer mehr Lebensmittel als zu ungesund ausscheiden. Es geht also nicht im die Quantität der Nahrung, wie bei einer Magersucht, sondern um deren Qualität und der Fokus liegt darauf, die „richtigen“ Lebensmittel zu konsumieren.

Die Orthorexie ist dabei allerdings noch keine klinisch anerkannte Störung und wurde noch in keinem Diagnosemanual klassifiziert. Unter Expert/innen besteht ein Diskurs darüber, ob die Orthorexie eher zu den Essstörungen zu zählen ist oder aber zu den Zwangsstörungen. Ebenfalls unklar ist, wann gesundheitsbewusstes Essverhalten als positiv zu werten ist und ab wann es als pathologisch und möglicherweise schädlich anzusehen ist. Generell ist die Störung noch wenig im klinischen Bereich untersucht worden. Es wird davon ausgegangen, dass 1 bis 2 Prozent der Bevölkerung betroffen seien, wobei die Zahl der subklinischen Betroffenen größer seien könne. Betroffen seien vor allen Dingen jüngere Frauen, die häufig sportlich aktiv seien, sowie Personen, die sich beruflich viel mit dem Thema Ernährung und gesunder Ernährung befassen, wie bspw. Fitnesstrainer/innen, Ernährungsberater/innen, usw.

Die Folgen der Orthorexie können dabei dennoch weitreichend sein. So kann es durch die Einschränkung der Lebensmittel zu einem Gewichtsverlust und auch Untergewicht kommen, ebenso wie zu einem Nährstoffmangel und in dessen Folge zu Mangelerscheinungen und weiteren körperlichen Folgen. Auch der Schlaf, die Konzentration, die Leistung und der Antrieb können beeinflusst werden. Aber auch das soziale Leben kann darunter leiden und es kann bis zur sozialen Isolation kommen.

Ursachen

Da die Orthorexie kein eigenständig anerkanntes Störungsbild ist, ist sie auch noch relativ wenig in klinischen Studien erforscht worden. Es ist davon auszugehen, dass die Störung, wie alle anderen psychischen Störungen auch, durch verschiedene Faktoren ausgelöst und aufrechterhalten werden kann und wird.

Zum einen wird ein ausgeprägtes Kontrollbedürfnis als Ursache diskutiert. Ähnlich wie auch bei der Magersucht, führt das Essen der „richtigen“ Lebensmittel bei der Orthorexie dazu, dass die Betroffen das Gefühl haben, sich und ihre Gesundheit unter Kontrolle zu haben, auch wenn sie diese Kontrolle in anderen Lebensbereichen unter Umständen verloren haben. Dadurch wird wiederrum das Selbstwertgefühl der Betroffenen gestärkt und sie können sich anderen gegenüber überlegen fühlen.

Ebenfalls diskutiert wird, dass die Orthorexie häufig nach einer Ernährungsumstellung aufzutreten scheint. Das kann die Umstellung auf eine vegetarische oder vegane Ernährung sein, aber auch eine Umstellung auf eine Ernährung zur Gewichtsreduktion, also einer Diät. Die gesunde Ernährung und das befassen mit dieser diene dann anfänglich dazu, die eigene Gesundheit zu verbessern. Im Verlauf würden diese Gründe dann in den Hintergrund treten, während die Angst vor „ungesunden“ Lebensmitteln und deren krankmachende Wirkung stärker werde und das eigene Verhalten antreiben würde.

Weitergehend wird auch die Rolle von vermehrten Lebensmittelskandalen und deren mediale Betrachtung und Darstellung als ursächlich diskutiert. So könne die Berichterstattung Ängste zu „krankmachenden“ und „kontaminierten“ Lebensmitteln verstärken. Auch die mediale Darstellung und Thematisierung von immer neuen Ernährungsformen und Diäten könne möglicherweise dazu beitragen, dass eine Fixierung des Themas Ernährung und gesunde Ernährung entstehe.

Anzeichen und Symptome

Die Orthorexie kann sich durch unterschiedliche Anzeichen und Symptome zeigen. Charakteristisch ist die Fixierung auf „gesunde“ Lebensmittel, das Befolgen oft strenger Ernährungsregeln und das exzessive Auseinandersetzen mit dem Thema. Im Verlauf erlauben sich Betroffenen meist immer weniger Lebensmittel. Befolgen sie ihre Regeln, führt das zum Gefühl von Kontrolle, zu einer Selbstwertsteigerung und einem Überlegenheitsgefühl gegenüber anderen. Befolgen sie die Regeln hingegen nicht, können Gefühle wie Scham, Schuld oder Angst überhand gewinnen. Die Angst davor, durch „ungesunde“ Lebensmittel krank zu werden, ist dabei oft ein ständiger Begleiter und Antrieb für die Verhaltensweisen.

Häufig ist es auch so, dass die Betroffenen der Überzeugung sind, das richtige zu tun und dass ihre Ernährungsform, die einzig richtige ist. Sie können sogar auf andere Personen herabschauen, die nicht nach ihren „Standards“ leben bzw. essen. Deshalb kann es auch dazu kommen, dass sie sich eine Art „Missionarsfunktion“ zuschreiben und andere in ihrem Umfeld von der Richtigkeit ihrer Ansichten und Praktiken überzeugen möchten.

Die Freude am Essen geht dabei bei Betroffenen verloren, denn es dreht sich alles nur noch um die vermeintliche Qualität der Lebensmittel. Das kann sich auch im sozialen Bereich auswirken und widerspiegeln. So ist ein gemeinsames und geselliges Essen mit anderen Personen für die Betroffenen meist nicht mehr möglich. Daraus kann auch ein sozialer Rückzug resultieren, der bis zur sozialen Isolation voranschreiten kann.

Auch ein Abfall von Konzentration und Leistungsfähigkeit, sowie ein schlechterer Schlaf können Anzeichen sein, dass das Essverhalten nicht mehr im gesunden Rahmen liegt.

Fazit

Die Orthorexie ist eine Störung, die noch nicht als eigenes Störungsbild klassifiziert ist. Im Wesentlichen geht es um eine Fixierung auf „gesunde“ Ernährung, die Angst davor, durch „ungesunde“ Lebensmittel krank zu werden und daraus resultierend um das Befolgen von eigens auferlegten und strengen Ernährungsregeln. Gesunde Ernährung tut in diesem Ausmaß nicht mehr gut und ist nicht mehr förderlich für die Gesundheit, sondern kann dieser bspw. durch Mangelerscheinungen und Untergewicht schaden. Sollte es soweit kommen und der Verdacht einer Orthorexie bestehen, sollte ein/e Psychotherapeut/in aufgesucht werden.

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Über den Autor J Bohlken