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Spätestens, seit der Begriff Helikopter-Eltern seit einiger Zeit in aller Munde ist, sind viele Eltern verunsichert und können sich fragen: Verwöhne ich mein Kind zu viel? Andere Eltern verstehen nicht, was am Verwöhnen der Kinder schlecht sein soll. Was hat es mit dem Verwöhnen auf sich? Was ist verwöhnendes Verhalten? Was kann es für Folgen haben?

Was genau ist verwöhnen?

Bevor die Frage „ Verwöhne ich mein Kind zu viel? “ beantwortet werden kann, muss geklärt werden, was genau verwöhnendes Verhalten überhaupt ist. Befragt man Eltern zum Thema Verwöhnen und was sie darunter verstehen, kommt es häufig zu diversen und weit auseinanderliegenden Ansichten. Das spiegelt die Unklarheit des Begriffs in der breiten Masse wieder. Dabei kann verwöhnendes Verhalten verschiedene Facetten annehmen und sich verschieden äußern.

Im Allgemeinen sind verwöhnende Verhaltensweisen der Eltern gegenüber ihren Kindern solche, die die Selbstständigkeit und auch die Eigenverantwortlichkeit der Kinder behindern oder sogar komplett verhindern. Hierdurch wird verhindert, dass Herausforderungen für die Kinder entstehen, die sie selbst lösen müssen und an denen sie wachsen bzw. sich angemessen entwickeln können. Äußern kann sich diese Behinderung in elterlichen Verhaltensweisen, die als „zu viel“ eingestuft werden können oder aber als „zu wenig“. So werden positive Verhaltensweisen der Kinder, wie bspw. das eigenständige Übernehmen von Aufgaben, nicht verstärkt, während negative Verhaltensweisen, wie bspw. das ständige Durchsetzen des eigenen Willens, durch eine Nichtbegrenzung verstärkt werden.

Einige Beispiele für verwöhnendes Verhalten, welches als problematisch anzusehen ist, sind:

  • Sofortige Erfüllung aller Wünsche/Bedürfnisse (bspw. bezogen auf Essen, materielle Güter, Freizeitaktivitäten, Trinken, etc.)
  • Grenzenlosigkeit bezogen auf materielle Dinge, aber auch Aktivitäten oder Umgangsformen (bspw. ständige Geschenke, Nutzung von Medien, keine begrenzten Zeiten zum Ausgehen, usw.)
  • Abnahme von Aufgaben, die die Kinder selbst erledigen könnten/sollten (bspw. Aufräumen für das Kind, das Kind anziehen (obwohl es in der Lage ist, dies selbst zu tun), etc.)
  • Konflikte nicht selbst austragen lassen, sondern diese für das Kind lösen
  • Häufige Ausnahmen von aufgestellten Regeln machen
  • Häufig altersgerechte/-gemäße Pflichten des Kindes übernehmen, die zuvor abgesprochen wurden
  • Bei jedem kleinen Anzeichen von Unwohlsein/Stress (bspw. in der Schule) das Kind übermäßig schonen/behüten

Von diesem dauernden verwöhnenden Verhalten, das negativ zu bewerten sind, sind solche Verhaltensweisen abzugrenzen, die situationsbezogen sind oder darauf abzielen, besondere und schöne Momente zu erschaffen. So ist es nicht direkt als negativ anzusehen, wenn an besonderen Tagen oder im Urlaub einige Ausnahmen gemacht werden in Bezug auf aufgestellte Regeln, Pflichten usw. Auch bei einer tatsächlichen Krankheit des Kindes spricht nichts dagegen, sondern ist förderlich. Ebenfalls sind besondere Momente mit der Familie, wie ein Kurzurlaub, ein schönes Abendessen oder eine tages-/situationsbezogene besondere Zuwendung als förderlich anzusehen. All diese Dinge finden allerdings in einem bestimmten Kontext statt und sind auf diesen bezogen. Das heißt, wenn diese Situation/dieser Kontext vorüber ist und wieder der Alltag eintritt, auch wieder zu den alten Regeln und Strukturen zurückgekehrt wird und die Verhaltensweisen nicht zur Regel werden.

Negative Folgen von verwöhnendem Verhalten

Die Frage „ Verwöhne ich mein Kind zu viel? “ beinhaltet schon die Annahmen, dass ein zu viel von Verwöhnen sich negativ auf das Kind auswirken könnte. Dies ist tatsächlich der Fall. Durch das andauernde Abnehmen von Aufgaben, Pflichten oder Konfliktsituationen, ebenso wie durch die ständige sofortige Erfüllung von Wünschen und Bedürfnissen und die übermäßigen Geschenke, werden die Kinder in ihrer Entwicklung gehemmt und können nicht zu eigenständigen und selbstbewussten Menschen heranwachsen. Denn um dies zu werden und auch eine Sozialkompetenz aufzubauen, sind Herausforderungen nötig, die das Kind eigenständig meistern kann und an denen es folglich wächst. Werden diese Aufgaben kontinuierlich von den Eltern abgenommen, können sich die Kinder nicht weiterentwickeln und treten im Gegensatz in eine immer stärker werdende Abhängigkeit der Eltern. Die Kinder werden anspruchsvoller, erwarten immer mehr von den Eltern und auch den sonstigen Menschen in ihrem Leben und werden außerdem immer weniger selbstständig.

Der Wirkmechanismus hinter dieser Entwicklung ist dabei relativ simpel. Nehmen die Eltern jede Aufgabe ab oder lassen jedes Verhalten des Kindes „durchgehen“ bzw. bedienen jedes Bedürfnis, bedeutet das in jedem Fall, dass eine Herausforderung für das Kind nicht eintritt und es deshalb auch keine neuen Erfahrungen sammeln kann, die das Selbstbewusstsein stärken und Kompetenzen aufbauen. Das führt dazu, dass sie Dinge nicht selbst bewältigen können, was zu einer Abhängigkeit gegenüber anderen Menschen und vor allem den Eltern führt, was letztendlich zu einer Anspruchshaltung der Kinder führt, die sie gegenüber anderen aufbauen.

Neben der Eigenständig- und Selbstständigkeit werden auch andere Kompetenzen und Dinge in der Entwicklung des Kindes blockiert. So können die Kinder keine Ausdauer und Kraft entwickeln, ebenso wie die Eigeninitiative oft fehlt, genauso wie eine Zielstrebigkeit. Darüber hinaus können auch die Neugier und das Interesse, ebenso wie die Bereitschaft, sich mit Dingen oder Personen auseinanderzusetzen, eingeschränkt werden. Dies, im Zusammenhang mit der fehlenden Erfahrung der eigenen Grenzen, kann dann dazu führen, dass die Kinder im späteren Leben keinen eigenständig „erschaffenen“ Erfolg erfahren bzw. erreichen können. Die Zufriedenheit kann hierunter leiden, genau wie der Selbstwert und das Selbstvertrauen. Soziale Kompetenzen können ebenfalls nicht aufgebaut werden. Diese Faktoren können sich dann in weiteren Defiziten zeigen, wie in häufigerem Übergewicht, infolge einer Trägheit, oder auch verstärkte Angst vor fremden Situationen.

Fazit

Fragen sich Eltern „ Verwöhne ich mein Kind zu viel? “, sollten sie demnach aufmerksam auf diesen Gedanken eingehen und ihr eigenes Verhalten reflektieren. Denn ständiges verwöhnendes Verhalten wirkt sich negativ auf die Entwicklung des Kindes aus, welches dadurch nicht zu einem selbstständigen und selbstbewussten Menschen heranwachsen kann und im Gegenteil abhängig wird und eine immer höhere Anspruchshaltung entwickelt. Anzeichen, für verwöhnendes Verhalten, welches diese negativen Konsequenzen nach sich ziehen kann, sind das ständige und umgehende Erfüllen von Wünschen/Bedürfnissen, Grenzenlosigkeit bei Geschenken/Freizeitgestaltung, Abnahme von angemessenen Aufgaben/Pflichten, Abnahme von Konflikten, Inkonsequenz im Handeln/ständiges Nachgeben, übermäßiges schonen bei kleinen Anzeichen von Krankheit. Nicht unter dieses verwöhnende Verhalten fallen Ausnahmen, die zu besonderen Anlässe, im Fall von Krankheit oder in Urlauben gemacht werden. Ausnahmen bedeuten allerdings auch, dass es eine Normalität gibt, die anders aussieht. Wird verwöhnendes Verhalten zum Dauerzustand, sollten Eltern aufmerksam werden und ihr eigenes Verhalten reflektieren und dem Grund für ihr Verhalten auf den Grund gehen.

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Über den Autor J Bohlken