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Im Schuljahr 2017/2018 sind in Deutschland 2,4 Prozent der Schüler/innen sitzengeblieben. Dabei gibt es seit Jahren einen Streit um das Thema. Wie sinnvoll ist Sitzenbleiben? Bringt es den Schüler/innen etwas? Sollte man es abschaffen?

Lage in den Bundesländern

Die meisten Schüler/innen sind im Schuljahr 2017/2018 in Bayern sitzengeblieben, hier waren es 4 Prozent. An zweiter Stelle steht Mecklenburg-Vorpommern mit 3,3 Prozent. Zwischen 2,4 und 2,5 Prozent, also leicht überdurchschnittlich und durchschnittlich, liegen Sachsen-Anhalt, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Die wenigsten Sitzenbleiber gibt es in Berlin. Hier sind es nur 1,2 Prozent.

Dabei ist es beispielsweise in Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein so, dass Schüler/innen in einigen Klassenstufen nur noch in Einzelfällen Sitzenbleiben dürfen bzw. sollen. Die Frage „ Wie sinnvoll ist Sitzenbleiben? “ scheint demnach auch zwischen den Bundesländern strittig zu sein.

Wie funktioniert die Versetzung?

Bevor die Frage „ Wie sinnvoll ist Sitzenbleiben? “ beantwortet wird, geht es zunächst um die allgemeinen Regelungen der Versetzung in Deutschland. Ob ein/e Schüler/in in die nächst höhere Klasse versetzt wird, wird am Ende des Schuljahres in einer Zeugniskonferenz entschieden. Diese Zeugniskonferenzen werden für jede Klasse abgehalten. In dieser sind alle Lehrer/innen der Klasse anwesend und z.T. auch Eltern- und Schülervertreter. Sie entscheiden anhand der erbrachten Leistungen jedes/r Schüler/in, ob die Versetzung in die nächste Jahrgangsstufe erfolgen soll, oder ob die Leistungen hierfür nicht ausreichend waren.

Die Grundlage für diese Entscheidung bildet das Zeugnis. Hier werden die Leistungen der Schüler/innen festgestellt. Entsprechen diese nicht den Anforderungen, wird in der Zeugniskonferenz diskutiert, ob eine Versetzung in die nächste Jahrgangsstufe dennoch sinnvoll ist. Dabei gibt es Grenzen, bei denen eine Versetzung nicht mehr möglich ist, oder aber bei denen eine Versetzung zumindest fraglich ist. In diesen Fällen gilt es dann zu entscheiden, die Versetzung dennoch vorzunehmen oder nicht. Meist gibt es die Möglichkeit eines Notenausgleichs. Hierbei werden schlechte Leistungen in einzelnen Fächern durch gute Leistungen in anderen Fächern ausgeglichen. Wie genau diese Bestimmung aussieht, ist je nach Schulform und Bundesland sehr unterschiedlich. In der Regel ist es dabei notwendig, dass die Fächer dieselbe Wochenstundenzahl aufweisen, damit diese sich ausgleichen können.

Ob die Ausgleichsregelung angewendet wird oder nicht, liegt dabei im Ermessen der Zeugniskonferenz. Maßgeblich für diese Entscheidung ist die Abwägung, ob pädagogische Gründe nahelegen, dass eine erfolgreiche Mitarbeit im nächsten Schuljahr trotz der schlechten Leistungen in diesem Schuljahr wahrscheinlich ist. Trifft dies nicht zu, so bleibt der/die Schüler/in sitzen.

Wozu die Versetzung?

Wenn man sich mit der Frage „Wie sinnvoll ist Sitzenbleiben? “ beschäftigt, muss man sich auch mit den Gründen für das Sitzenbleiben bzw. die Regelungen zur Versetzung auseinandersetzen.  Grundlage der Versetzungsregelungen ist die Forderung, eine möglichst homogene Leistungsfähigkeit der Klasse zu erreichen. Hierbei wird davon ausgegangen, dass gleich alte Schüler/innen mit einer ähnlichen Leistungsstärke auch gleich schnell lernen und demnach dann die bestmöglichen Lernerfolge erzielen können. Schlechtere Schüler/innen sollten deshalb eine Klasse wiederholen, um ihre Defizite auszugleichen und die Klasse nicht auszubremsen. Andersherum sollten bessere Schüler/innen eine Klasse überspringen, ebenfalls um die Homogenität zu gewährleisten.

Das Sitzenbleiben soll also den Schüler/innen dabei helfen, ihre Defizite auszugleichen, um wieder besser im Stoff mitzukommen.  Außerdem soll es dazu dienen, eine homogene Klasse beizubehalten, damit die Klasse als Gemeinschaft bestmöglich lernen kann, wozu die Schüler/innen ähnliche Leistungen haben sollten. Zurückgesetzte Schüler/innen sind nach dieser Logik dann ebenfalls wieder in einer homogegen Klasse zusammen mit Schüler/innen, die ein ähnliches Leistungsniveau haben wie sie. Dadurch sollte auch die Motivation und Leistungsbereitschaft, ebenso wie das Leistungsniveau der entsprechenden Schüler/innen wieder steigen.

Kritik

Aber, wie sinnvoll ist Sitzenbleiben? Werden diese Ziele erreicht oder gibt es negative Aspekte? Die Diskussion um das Thema gibt es schon seit einigen Jahren. Von den Kritikern immer wieder angeführt wird das Argument, dass schlechte Leistungen in bestimmten Fächern nicht mit einer bloßen Wiederholung des Lernstoffes ausgeglichen und verbessert werden könnten. Vielmehr sei es nötig, die Schüler/innen in den entsprechenden Fächern gezielt zu fördern und zu unterstützen. Auch so könne eine homogene Leistungsfähigkeit der Klasse gewährleistet werden, ohne aber die Notwendigkeit des Sitzenbleibens.

Darüber hinaus sei es wenig sinnvoll, dass Schüler/innen, die wegen schlechten Leistungen und Mathematik und Deutsch sitzengeblieben sind, auch ein ganzes Jahr den Stoff der anderen Fächer wiederholen müssten. Auch das sei nicht zielführend, da der Unterricht in diesen Fächern oft langweilig für die Schüler/innen sei und sie deshalb in diesen Fächern abschalten würden.

Außerdem wird oft kritisiert, dass die Schüler/innen durch das Sitzenbleiben aus den Klassen und damit auch ihrem Freundeskreis gerissen werden würden. Sie müssten sich in einer neuen Klassengemeinschaft einfinden, neue Freunde finden und mit neuen Lehrern zurechtkommen. Das alles sei eine weitere Herausforderung, die neben der Wiederholung des Stoffes als stressiger Faktor hinzukommen würde.

Darüber hinaus sei das Sitzenbleiben auch oft mit dem Stigma des Versagens verknüpft, was demotivierend für die Schüler/innen sein könnte. Sie würden die Wiederholung oftmals als Bestrafung ansehen. Dabei soll das Sitzenbleiben ja gerade die Motivation und damit die Leistungsbereitschaft der Schüler/innen steigern, nicht verschlechtern.

Ebenfalls oft angeführt ist die Tatsache, dass Sitzenbleiben die Bundesländer jährlich rund eine Milliarde Euro kostet. Kritiker finden, dass dieses Geld besser in die Förderung von Schüler/innen investiert werden sollte.

Fazit

Die Frage „ Wie sinnvoll ist Sitzenbleiben? “ lässt sich demnach nicht eindeutig beantworten. Zwar gibt es viel Kritik, aber die Entscheidung für eine Klassenwiederholung kann im Einzelfall sowohl positiv, als auch negativ ausgehen, denn jeder Mensch ist eben unterschiedlich. Dennoch scheint die Kritik immer lauter zu werden und damit auch die Forderung nach mehr gezielten Förderungsangeboten für Schüler/innen. Auch hiermit könnte man eine möglichst homogene Leistungsfähigkeit der Klasse gewährleisten, aber die Schüler/innen würden nicht aus der Klasse gerissen werden und sie müssten nicht den gesamten Stoff aller Fächer wiederholen, wenn sie nur in einem oder zwei Fächer Defizite aufweisen. Für diese Förderung würden allerdings mehr Mittel benötigt werden, wie mehr Lehrkräfte. In alternativen Schulformen, wie der Montessori Schule ist bereits so, dass es kein Sitzenbleiben mehr gibt.

Allgemein lässt sich noch sagen, dass es oft sinnvoll ist, dem zugrunde liegenden Problem auf den Grund zu gehen. Eltern sollten versuchen mit ihren Kindern über die ungenügenden Schulleistungen ins Gespräch zu kommen, um herauszufinden, ob wirklich Verständnisschwierigkeiten das Problem sind oder ob ggf. eine Lernblockade, Legasthenie oder ähnliches das eigentliche Problem ist. Auch emotionale Belastung durch Streit mit Mitschülern oder auch Streitigkeiten zuhause können zu vorübergehend schlechteren Schulleistungen führen. Aufgrund der vielseitigen möglichen Gründe für schlechte Schulleistungen, sollte die Entscheidung, ob das Sitzenbleiben sinnvoll ist, auch im Einzelfall gefällt werden.

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Über den Autor J Bohlken