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Durch die momentane Situation verändert sich unser Alltag und auch Schulschließungen sind ein Teil dieser Veränderungen. Homeschooling, also die Beschulung bzw. das Lernen von Zuhause aus, ist Anstelle des Präsenzunterrichts in den Schulen getreten und eine flächendeckende und alle Klassen betreffende Änderung der Situation ist nicht abzusehen. Dabei stellt sich die Frage, wie sich die Bildungsgerechtigkeit in Zeiten von Schulschließungen und Homeschooling entwickelt. Haben alle Kinder dieselben Chancen? Wie wirkt sich die Situation aus?

Aktuelle Betrachtung

Das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) hat sich in seinem IW-Kurzbericht 44/2020 „Homeschooling und Bildungsgerechtigkeit“ mit dem Thema der Bildungsgerechtigkeit in Zeiten von Schulschließungen und Homeschooling auseinandergesetzt. Hintergrund der Betrachtung war dabei die Tatsache, dass sich die Bildungsgerechtigkeit bereits vor den Schulschließungen verschlechtert habe. So habe sich laut Daten aus der PISA-Studie der sozioökonomische Status der Schüler/innen wieder verstärkt auf deren Lesekompetenz ausgewirkt und auch der Anteil der Schüler/innen mit einer besonders schwachen Lesekompetenz sei angestiegen.

Kitaschließungen

Zunächst geht der IW-Bericht auf die Kitaschließungen ein und welchen Teil sie zur Bildungsgerechtigkeit in Zeiten von Schulschließungen und Homeschooling beitragen. So wisse man aus Daten der PISA-Studie, dass sich ein Kitabesuch positiv auf die späteren schulischen Kompetenzen auswirke, da dieser bestehende Unterschiede aus den Elternhäusern ausgleichen könne. Auch Berechnungen mit Daten des Sozio-ökonomischen Panels würden dies stützen, da eine Verbesserung im Wortschatz und ein Abbau des Förderbedarfs in Deutsch von Kindern mit Migrationshintergrund festgestellt werden konnte. Somit können sich auch Kitaschließungen negativ auf die Bildungsgerechtigkeit auswirken, da diese ausgleichende Funktion vor dem Schulbesuch ausbleibt und keine frühe Förderung stattfindet.

Eltern als Unterstützung

Weitergehend wird die Rolle der Eltern bei der Bildungsgerechtigkeit in Zeiten von Schulschließungen und Homeschooling vom IW betrachtet. So könnten Eltern in verschiedenem Umfang eine Förderung ihrer Kinder gewährleisten, abhängig von deren Bildungsressourcen. Diese würden über Qualität und auch den zeitlichen Umfang der Förderung entscheiden. Auch PISA-Daten würden diese Annahme stützen, da Eltern mit einer akademischen oder generell höheren (Aus-)Bildung ihren Kindern öfter Unterstützung bei den Schulaufgaben bieten würden als andere, bspw. ohne einen Berufsabschluss.

Um diese Unterschiede im Umfang und der Qualität der elterlichen Unterstützung der Kinder auszugleichen, brauche es Fördermaßnahmen der Schulen, wie durch ein gutes Ganztagsangebot. Eine Förderung der Kinder, die aus eher bildungsferneren Familien stammen und somit vermutlich eher weniger Unterstützung durch die Eltern erhalten, kann somit zur Zeit nicht stattfinden, obwohl diese durch die unterschiedlichen Voraussetzungen nötig und wichtig wäre.

Digitales

Im Zuge der Digitalisierung spielen auch im Schulalltag digitale Angebote eine immer größere Rolle bei der Unterstützung des Lernstoffes. Auch dieses Thema spielt laut IW bei der Bildungsgerechtigkeit in Zeiten von Schulschließungen und Homeschooling eine Rolle. So gebe es sowohl Unterschiede in der Ausstattung mit digitalen Geräten als auch bei den Kompetenzen von Kindern und Jugendlichen im digitalen Bereich, abhängig von derem sozioökonomischen Hintergrund. So hätte die „International Computer and Information Literacy Study“ (I-CILS) ergeben, dass Achtklässler/innen mit einer niedrigeren sozialen Herkunft, sowie Achtklässler/innen mit einem Migrationshintergrund, über niedrigere digitale Kompetenzen verfügen würden als besser gestellte Jugendliche und jene ohne Migrationshintergrund.

Dadurch, dass sich die digitalen Kompetenzen der Schüler/innen bereits vor den Schulschließungen unterschieden haben, werden diese in Zeiten von Homeschooling auch weiterhin einen Faktor bei der Bildungsgerechtigkeit darstellen. Vor allem, da Homeschooling oftmals über digitale Kanäle und Angebote stattfindet bzw. diese Dinge nutzt.

Forderungen

Zum Abschluss fordert das IW, auf bundesweiter Ebene Konzepte zu entwickeln, wie Rückstände von Kindern aufgeholt werden könnten, insbesondere jene von Kindern aus bildungsferneren Familien. Um die Umsetzung zu garantieren, sollten in den Schulen Kräfte geschult und als Beauftragte ernannt werden. Außerdem wird ein spezieller Förderunterricht bei der Wideraufnahme des Schulbetriebes angeregt.

Fazit

Das Thema Bildungsgerechtigkeit in Zeiten von Schulschließungen und Homeschooling ist ein vielschichtiges. In dem Bericht des IW wurden die Punkte Kitaschließungen, Unterstützung durch die Eltern und digitale Möglichkeiten und Kompetenzen angesprochen. Wie sich dabei zeigte, waren in diesen Bereichen zum Teil bereits vor den Schulschließungen Ungleichheiten zwischen Schüler/innen aus bildungsnäheren und -ferneren Familien deutlich geworden. Diese Unterschiede dürften sich durch das Homeschooling weiter verstärken, vor allem da diese Art der Lernstoffvermittlung stärker denn je auf die Unterstützung der Eltern, aber auch digitale Lösungen und Angebote angewiesen ist. Die formulierten Forderungen des IW sollen diese Entwicklung abfedern und die entstandenen Rückstände und Ungleichheiten aufholen bzw. aufheben. Bildungsgerechtigkeit ist demnach ein wichtiges Thema in Zeiten von Schulschließungen und Homeschooling, das auch bei der Wiederaufnahme des Schulbetriebes weiter beachten und berücksichtigt werden sollte.

Hier finden Sie den IW-Kurzbericht 44/2020:

Homeschooling und Bildungsgerechtigkeit

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Über den Autor J Bohlken