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Soziale Ungleichheit ist ein Thema, welches schon seit einiger Zeit in der Öffentlichkeit diskutiert wird. Dabei spielt Bildung eine zentrale Rolle. Was denken die Deutschen in Bezug auf Bildungsungleichheit? Wie schätzen sie die aktuelle Lage ein?

Das ifo Bildungsbarometer 2019

Soziale Ungleichheit und Bildungsungleichheit sind eng miteinander verbunden, denn Bildung legt den Grundstein für ein Leben mit gesellschaftlicher Teilhabe und ohne wirtschaftliche Not. Bildung sollte deshalb möglichst allen Personen gleichermaßen zur Verfügung stehen, um Unterschiede im Einkommen und dem Vermögen von Personen nicht entstehen zu lassen bzw. dies nicht zu verstärken. Aber gibt es dennoch Bildungsungleichheit? Und vor allem, wie schätzt die deutsche Bevölkerung das ein? Mit diesen Fragen beschäftigt sich das ifo Bildungsbarometer (ifo = Institut für Wirtschaftsforschung) als Teil einer Forschungsagende zum Thema politische Ökonomie der Bildungspolitik jährlich. Hierbei handelt es sich um eine repräsentative Meinungsumfrage in der erwachsenen deutschen Bevölkerung zu bildungspolitischen Themen. Befragt wurden von Kantar Public für das ifo Bildungsbarometer 2019 mehr als 4000 Personen über 18 Jahren.

Ziel des ifo Bildungsbarometer sei es, die Meinungen der deutschen Bevölkerung aufzuzeigen und auch herauszufinden, ob es in bestimmten Bereichen oder unter bestimmten Umständen politische Mehrheiten gegen oder für eine Bildungsreform gibt und wenn ja in welchen Bereichen und unter welchen Umständen. Es werde also aufgezeigt, wo politische Reformen öffentliche akzeptiert würden. In diesen Bereichen seien Reformen dann vermutlich leichter umzusetzen.

Ziele der Bildungspolitik

Zunächst wurde in der Erhebung danach gefragt, wie wichtig verschiedene Ziele der Bildungspolitik eingestuft werden. Am wichtigsten war den Befragten demnach, dass allen Kindern ein möglichst hohes Bildungsniveau ermöglicht wird. Dies gaben 95 Prozent an. Aber auch die individuelle Förderung von Kindern sei den Befragten wichtig. So gaben 94 Prozent an, es sei wichtig, lernschwache Kinder zu fördern. Das Ziel, Kinder aus armen Familien zu fördern, empfinden ebenfalls 94 Prozent als wichtig. Auch hochbegabte Kinder zu fördern sei 86 Prozent der Befragten wichtig. Ziele der Politik seien nach Meinung der Deutschen demnach in Bezug auf ein hohes Leistungsniveau und der Chancengleichheit zur Vermeidung von Bildungsungleichheit wichtig.

Einschätzungen zur Bildungsungleichheit

Nun geht es darum, wie die Befragten die Bildungsungleichheit in bestimmten Bereichen einschätzen. Demnach seien die Einschätzungen weitgehend realistisch und ähnlich zur Tatsächlichen Situation.

In Bezug auf das Geschlecht schätzten die meisten Deutschen, nämlich 52 Prozent, dass 4. Klässler und 4. Klässlerinnen in Mathematiktests gleichgut abschneiden. Das entspreche auch der Realität, Mädchen und Jungen würden in der 4. Klasse nahezu gleichauf liegen im Bereich Mathematik.

Gleiches gilt für die Frage nach den Mathematikleistungen in Bezug auf Kinder vom Land oder der Stadt. Hier schätzen 61 Prozent, dass es keine Unterschiede gebe. Es sei jedoch so, dass Kinder aus ländlichen Regionen sogar besser abschneiden würden im Schnitt. Dies dachten auch 19 Prozent der Befragten.

In Bezug auf den sozioökonomischen Hintergrund der Kinder schätzt allerdings die Mehrheit der Befragten (55 Prozent), dass Kinder aus besseren sozialen Verhältnissen besser in Mathematik abschneiden, als Kinder aus schlechteren sozialen Verhältnissen. Dies sei realistisch, denn Kinder aus besseren sozialen Verhältnissen würden sogar deutlich besser abschneiden.

Ähnlich waren die Ergebnisse auch in Bezug auf den Migrationshintergrund von Kindern. 57 Prozent denken, dass Kinder ohne Migrationshintergrund besser in Mathematik abschneiden. Dies entspreche ebenfalls der Realität.

Als ernsthaftes Problem werden die Bildungsungleichheiten von einer Mehrheit der Befragten in Bezug auf die sozialen Verhältnisse und den Migrationshintergrund eingeschätzt. Bildungsungleichheiten zwischen den Geschlechtern werden von dem Großteil der Befragten als gar kein Problem eingeschätzt, ebenso wie Ungleichheiten zwischen ländlichen und urbanen Regionen.

Die Befragten wurden auch zu ihrer Einstellung bezüglich bildungspolitscher Maßnahmen zur Verringerung der Bildungsungleichheit befragt. So seien 71 Prozent der Befragten dafür, für Kinder aus schlechter gestellten Familien zusätzliche staatliche Mittel auszugeben. Außerdem seien 74 Prozent dafür, Gehaltszuschläge für Lehrer/innen auf dem Land einzuführen.

Reformvorschläge

Weitergehend wurden die Befragten nach ihrer Meinung zu verschiedenen Reformvorschlägen zur Reduzierung der Bildungsungleichheit befragt. Hier hätte man große Zustimmungsraten zu Maßnahmen, die die Ungleichheit verringern, gefunden.  83 Prozent sind dafür, Stipendienprogramme für einkommensschwache Studierende auszubauen. 81 Prozent sind für eine Erhöhung der staatlichen Ausgaben für Schulen mit vielen Schüler/innen aus benachteiligten Verhältnissen. Ebenfalls viele Befragte (78 Prozent) sind dafür, dass Kindergartengebühren für alle Kinder ab 4 Jahre vom Staat übernommen werden. Auch für eine Kitapflicht ab 4 Jahren sprechen sich 67 Prozent aus. Für eine Erhöhung von Lehrer/innengehältern an Schulen mit vielen Schüler/innen aus benachteiligten Verhältnissen sprechen sich 64 Prozent aus.

Auch in Bezug auf die Struktur der Schulen zeige sich eine Veränderungsbereitschaft. So sind 61 Prozent dafür, erst nach der 6. Klasse die Schüler/innen auf weiterführende Schulen aufzuteilen. Außerdem sind 56 Prozent für das Ganztagsschulsystem für alle Kinder.

In Bezug auf die gemeinsame Unterrichtung von Kindern ohne und mit Lernschwäche in Regelschulen gehen die Meinungen allerdings auseinander. 44 Prozent sind dafür, 41 Prozent dagegen.

Die Befragten zeigen diesen Ergebnissen zufolge also eine große Bereitschaft zur Förderung benachteiligter Personengruppen. Allerdings ist die deutliche Mehrheit dafür, zusätzliche Mittel nicht nur in benachteiligte Gruppen zu investieren, sondern diese auf alle Personen und Gruppen gleichermaßen zu verteilen, wenn sie sich zwischen diesen beiden Optionen entscheiden müssen. Dies könne die Umsetzung politische Maßnahmen zur Reduzierung von Bildungsungleichheit erschweren.

Wann ist etwas gerecht?

Weitergehend wurde in dem ifo Bildungsbarometer gefragt, wann die Befragten eine Situation als gerecht einschätzen, mit Bezug auf eigene Anstrengungen und äußere Umstände. Dabei stimmten 84 Prozent der Befragten der Aussage zu, es sei gerecht, wenn eine hart arbeitende Person mehr verdiene, als andere. Im Gegensatz dazu finden es nur 11 Prozent gerecht, wenn Personen dadurch Vorteile im Leben haben, dass sie aus einer angesehen Familie stammen, während 75 Prozent dies als ungerecht bewerten.

Außerdem sind 85 Prozent der Befragten der Meinung, dass es für das Erreichen eines hohen Bildungsabschlusses entscheidend ist, eigene Anstrengungen anzustellen. Nur 15 Prozent sind der Meinung, äußere Umstände seien hierfür entscheidend. In der Realität sei es jedoch so, dass der sozioökonomische Hintergrund der Kinder tatsächlich eine Rolle spiele, welchen Bildungsabschluss sie erreiche bzw. auf welche Schulform sie gehen. Auch in Bezug auf das Erreichen eines hohen Einkommens sieht die Mehrheit der Befragten (69 Prozent) eigene Anstrengungen als ausschlaggebend an.

Das „Gute-Kita-Gesetz“

Nun wurden die Befragten auch zu ihrer Meinung zum „Guten-Kita-Gesetz“ befragt, welches die Kindertagesbetreuungsqualität verbessern soll und so auch zu einer Verringerung der Bildungsungleichheit beitragen könne. Mit 83 Prozent ist die Mehrheit der Befragten für dieses Gesetz.

Außerdem sollten die Befragten aus einer Liste auswählen, für welche Maßnahmen sie das Geld aus diesem Gesetz verwenden würden. Dabei sind mit 56 Prozent die meisten Befragten für eine Verringerung der Kita-Gebühren für die Eltern. 52 Prozent sind für höhere Gehälter für Erzieher/innen und kleine Gruppen durch mehr Personal.

Die Befragten wurden auch danach gefragt, an wen Kitaplätze vergeben werden sollten, wenn diese knapp sind. 78 Prozent sind dafür, alleinerziehende Elternteile in diesem Fall zu bevorzugen. 66 Prozent sind für eine Bevorzugung von Familien mit in Vollzeit arbeitenden Elternteilen. 65 Prozent sind dafür, Familien mit einem geringen Einkommen in einem solchen Fall zu bevorzugen. Weitere 59 Prozent stehen einer Bevorzugung von Familien mit vielen Kindern positiv gegenüber. Keine  Mehrheit hat es in Bezug auf Familien mit Migrationshintergrund gegeben. Hier waren 36 Prozent für eine Bevorzugung und 37 Prozent dagegen.

Auf die Frage, wer darüber entscheiden solle, wem die Plätze zugesprochen werden, sind 56 Prozent dafür, dass dies zentral durch die Gemeinde erfolgen solle und nicht, wie momentan üblich, durch die Kitas selbst.

Studiengebühren

Abschließend wurde noch nach der Meinung bezüglich Studiengebühren gefragt, was ebenfalls ein zentraler Punkt beim Thema Bildungsungleichheit sei. Demnach sind 45 Prozent für Studiengebühren, 43 Prozent dagegen und 13 Prozent positionieren sich nicht.

Eine Mehrheit der Befragten (66 Prozent) sind allerdings für nachgelagerte Studiengebühren. Diese werden erst nach Studienabschluss gezahlt und auch nur ab einem gewissen Einkommen. Nach Meinung der Befragten dürften diese Gebühren im Mittel 350 Euro pro Semester nicht überschreiten. Die höhere Beliebtheit von nachgelagerten Studiengebühren bei den Befragten lasse sich dabei vermutlich hauptsächlich darauf zurückführen, dass diese es so einschätzen, dass mit den nachgelagerten Studiengebühren sich weiterhin auch Personen aus ärmeren Familien ein Studium leisten können (64 Prozent denken das in Bezug auf nachgelagerte Studiengebühren, nur 33 Prozent in Bezug auf reguläre Studiengebühren).  Außerdem befürchten weniger Befragte, dass die nachgelagerten Studiengebühren Personen vom Studieren abhalten könnten. Auch in Bezug auf die Frage nach Gerechtigkeit ist das Ergebnis eindeutig. So finden 42 Prozent der Befragten reguläre Studiengebühren ungerecht. Bei den nachgelagerten Studiengebühren sind es nur 24 Prozent.

Hier finden Sie die Ergebnisse des ifo Bildungsbarometers 2019:

Was die Deutschen über Bildungsungleichheit denken

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Über den Autor J Bohlken