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Um sich gut entwickeln zu können, brauchen Kinder vor allem eins und das ist eine gute Bindung. Diese wird bereits in den ersten Monaten des Babys aufgebaut und beeinflusst deren Entwicklung mit. Was genau ist kindliche Bindung eigentlich? Gibt es verschiedene Arten von Bindung? Was ist eine gute Bindung?
Bindungstheorie
Möchte man mehr zur kindlichen Bindung erfahren, stößt man in jedem Fall auf die von Bolwby entwickelte Bindungstheorie. Diese geht davon aus, dass alle Menschen mit einem bestimmten Verhaltenssystem geboren werden, welches wichtig für das Überleben ist. Bezogen auf Kleinkinder und deren Eltern äußere sich dieses durch ein sogenanntes Bindungsverhalten des Kindes und ein Fürsorgeverhalten der Eltern. Kleinkinder seien instinktiv dazu bereit, Schutz und Trost bei engen Bezugspersonen zu suchen. Aus dieser Bereitschaft entwickele sich dann die Bindung zu diesen Personen. Enge Bezugspersonen sind dabei klassischer Weise Mutter oder Vater, es können aber auch Großeltern, andere Verwandte oder nahestehende Personen eine solche Bezugsperson sein. Laut Bowlby könne man die Bindung ab ungefähr einem Jahr als sogenanntes Bindungsverhalten beobachten. Dieses werde dann ausgelöst, wenn das Kleinkind in eine bedrohliche oder neue Situation komme, um so die Nähe zur Bezugsperson zu suchen und hierdurch Sicherheit zu erfahren. Er ging davon aus, dass solches Bindungsverhalten sich durch anklammern, weinen, rufen oder hinterherlaufen beobachtbar sei.
Als Gegenstück zu diesem Bindungsverhalten führte Bowlby das sogenannte Explorationsverhalten an. Dieses werde immer dann gezeigt, wenn das Kleinkind sich sicher fühle. Dementsprechend würden Bindungs- und Explorationsverhalten abwechselnd auftreten. Das Explorationsverhalten umfasse dabei die Erkundung der Umgebung.
Nach der Bindungstheorie von Bowlby zeigen Kinder also Explorationsverhalten, wenn sie sich sicher und geborgen fühlen und Bindungsverhalten, wenn sie sich unsicher sind oder sich nicht wohl fühlen, um so die Nähe zur Bezugsperson zu suchen, welche als eine „sichere Basis“ fungiere. Beide Verhaltensweisen würden sich dabei ständig abwechseln.
Verschiedene Bindungstypen
Nach der Theorie von Bolwby, äußert sich die kindliche Bindung demnach in einem Wechsel aus Explorations- und Bindungsverhalten. Diese ursprüngliche Theorie wurde von Ainsworth erprobt und erweitert, indem sie eine standardisierte Verhaltensbeobachtung, die sogenannte „Fremde Situation“, mit Kleinkindern (1 Jahr) und deren Bezugspersonen (Mütter) entwickelte und durchführte. Dieses Verfahren ist für Kinder von 12 bis 18 Monaten geeignet. In dieser „Fremden Situation“ sind Mutter und Kind in einem für das Kind unbekannten Spielzimmer mit einer weiteren fremden Person. Im Beisein der Mutter solle dabei das beschriebene Explorationsverhalten des Kindes beobachtbar sein. Durch die eingeplante Trennung der Mutter von dem Kind, soll hingegen das Bindungsverhalten seitens des Kindes ausgelöst werden.
Dabei stellte sich heraus, dass nicht alle Kinder den Wechsel aus Explorations- und Bindungsverhalten zeigten, wie von Bowlby angenommen. Vielmehr habe man die kindliche Bindung in drei verschiedene Typen einteilen können. Durch weitere Forschung konnte später noch ein weiterer Bindungstyp herausgearbeitet werden, sodass man heute von 4 verschiedenen Bindungstypen bei Kleinkindern ausgeht. Diese Typen klassifizieren die kindliche Bindung hinsichtlich des gezeigten Verhaltens, aber auch hinsichtlich der Qualität der Bindung. Die Typen sind:
- Unsicher-vermeidende Bindung (A-Typ)
- Sichere Bindung (B-Typ)
- Unsicher ambivalente Bindung (C-Typ)
- Desorganisierte Bindung (D-Typ)
Bei der unsicher-vermeidenden Bindung sei das Bindungsverhalten seitens der Kinder kaum ausgeprägt, wohingegen das Explorationsverhalten stark ausgeprägt sei. Nach der Trennung zur Bezugspersonen seien diese Kinder anscheinend unbeeinflusst hierdurch und würden einfach weiter spielen. Auch bei der Rückkehr der Bezugsperson sei kaum ein Gefühl wahrnehmbar, im Gegenteil würden die Kinder diese sogar eher ignorieren und zum Teil die fremde Person vorziehen. Was auf den ersten Blick unproblematisch und „pflegeleicht“ erscheint, ist allerdings von Nachteil, denn es sei keinesfalls so, dass die Kinder wirklich so unbeeindruckt von der Situation sind, wie sie es scheinen. Im Gegenteil sei es so, dass die Trennung von der Bezugsperson auch bei ihnen zu Stress führe und hierdurch das Cortisol im Körper der Kinder ansteige. Der Stress werde den Kindern auch durch die Rückkehr der Bezugsperson nicht genommen, weshalb ihr Spiegel an Cortisol mehrere Stunden hoch sei. Diese Kinder hätten demnach Defizite darin, ihre Gefühle und Emotionen zum Ausdruck zu bringen und diese anders zu bewältigen, als durch das gezeigte Explorationsverhalten, was ihre Kompensationsstrategie sei.
Bei Hausbesuchen der Familien sei bezüglich des mütterlichen Verhaltens festgestellt worden, dass die Mütter der unsicher-vermeidenden Kinder wenig Nähe und Sicherheit anbieten würden, wenn die Kinder dies benötigen würden, denn ihnen sei enger Körperkontakt selbst eher unangenehm. Der verstärkte Fokus der Kinder auf deren Außenwelt sei eine Anpassung an dieses Verhalten der Mütter.
Bei der sicheren Bindung sei es so, dass Explorations- und Bindungsverhalten tatsächlich im Wechsel beobachtbar gewesen sei. Das Bindungsverhalten werde durch die Trennung des Kindes und der Bezugsperson ausgelöst, woraufhin die Kinder ihre Gefühle durch weinen, schreien, etc. zeigen würden und sich auch nicht von fremder Person trösten lassen würden. Bei der Rückkehr der Bezugsperson würden die Kinder die Nähe dieser suchen und würden sich schnell trösten lassen. Danach würden sie wieder Explorationsverhalten zeigen, den Raum erkunden und auch Kontakt zur fremden Person suchen. Die Strategie der Kinder sei damit offen und sie könnten ihre Gefühle frei ausdrücken. Auch das durch die Stresssituation produzierte Cortisol im Körper des Kindes nehme sofort wieder ab, wenn die Bezugsperson wieder anwesend ist und das Kind getröstet hat.
Bezogen auf das Verhalten der Mutter sei bei Hausbesuchen beobachtet worden, dass diese feinfühlig auf ihre Kinder und deren Verhalten eingehen würden. So würden sie Nähe und Schutz in Situationen bieten, in denen es nötig für die Kinder sei, aber auch das Explorationsverhalten der Kinder altersangemessen unterstützen.
Bei der unsicher-ambivalenten Bindung überwiege hingegen das beobachtete Bindungsverhalten deutliche gegenüber dem Explorationsverhalten. Diese Kinder würden durch die Trennung von der Bezugsperson besonders verunsichert reagieren und extremes Bindungsverhalten zeigen, also weinen, zur Tür laufen, etc. Bei der Rückkehr der Bezugsperson könne diese sie allerdings auch nicht beruhigen. Zwar würden die Kinder die Nähe dieser suchen, würden aber auch gleichzeitig einen Ärger über diese ausdrücken, beispielsweise indem sie diese wegstoßen würden, aber dann wieder den Kontakt suchen würden. Sie seien also hin- und hergerissen zwischen Ärger und einem Nähebedürfnis. Dabei würden die Kinder auch in Anwesenheit der Bezugsperson wenig Explorationsverhalten zeigen und auch kaum mit der fremden Person interagieren. Der durch die Stresssituation erhöhte Cortisolspiegel bleibe auch bei diesen Kindern über eine längere Zeit erhöht, da auch hier ein angemessenes Kompensationsverhalten fehle.
Auch das Verhalten der Mütter dieser Kinder sei unterschiedlich und ambivalent in Hausbesuchen gewesen. Zum Teil hätten sie feinfühlig Nähe und Sicherheit geboten, wenn diese nötig war, mal hätten sie die Kinder abgewiesen und dies nicht geboten. Dadurch hätten die Kinder keine Sicherheit, wie die Mutter zukünftig reagiere, weshalb sie das Bindungsverhalten verstärken würden, um notfalls den Schutz der Mutter in Anspruch nehmen zu können.
Der nachträglich angeführte desorganisierte Bindungstyp charakterisiere sich dadurch, dass diese Kinder bizarre Verhaltensweisen bei der Trennung von der Bezugsperson und auch der Wiedervereinigung zeigen würden. Sie hätten keine Strategie, um mit solchen Situationen umzugehen, was dazu führe, dass sie bspw. immer dieselben Bewegungen ausführen würden und kaum Gefühle zeigen würden. Sie würden sich hilflos, überwältigt und ohnmächtig fühlen und die Situation als Kontrollverlust wahrnehmen. Auftreten würde dieser Bindungstyp bei Kindern, die widersprüchliche Erfahrungen mit der Bezugsperson gemacht hätten. Zum einen gebe die Person ihnen Sicherheit, zum anderen sei sie aber auch angstbesetzt bzw. eine Quelle von Angst für die Kinder. Deshalb wisse das Kind nicht, wie es sich verhalten solle. Auftreten würde dies bspw. bei Missbrauchserfahrungen durch die Bezugsperson. Der Spiegel an Cortisol sei bei diesen Kindern nicht nur über eine längere Zeit nach der Situation, sondern dauerhaft erhöht.
Bei älteren Kindern zeigt sich Bindungsverhalten altersentsprechend unterschiedlich. Diese vorgestellten Bindungstypen wurden, wie bereits eingangs dargestellt, bei 12 bis 18 Monate alten Kindern beobachtet und beziehen sich damit konkret auf die kindliche Bindung in dieser Altersgruppe.
Fazit
Abschließend lässt sich sagen, dass die kindliche Bindung sich in der Regel durch Bindungs- und Explorationsverhalten in verschiedenen Ausprägungen zeigt. Dabei gibt es vier Bindungstypen bei Kindern zwischen 12 und 18 Monaten. Bei der unsicher-vermeidenden Bindung ist das Explorationsverhalten zur Last des Bindungsverhaltens verstärkt ausgeprägt. Diese Kinder können ihre Gefühle nicht adäquat ausdrücken und haben somit auch keinen adäquaten Umgang mit Stresssituationen. Bei der sicheren Bindung wechseln sich Bindungs- und Explorationsverhalten ab und die Wiedervereinigung mit der Bezugsperson löst die Stresssituation für die Kinder wieder auf. Bei der unsicher ambivalenten Bindung ist das Bindungsverhalten zur Last des Explorationsverhaltens verstärkt ausgeprägt. Auch bei Rückkehr der Bezugsperson lassen sich die Kinder nicht durch diese beruhigen und schwanken zwischen einem Bedürfnis von Nähe und Ärger über die Person hin und her. Auch sie haben keine adäquate Bewältigungsstrategie für Stresssituationen. Kinder mit desorganisierter Bindung zeigen bizarre Verhaltensweisen, die weder Bindungs-, noch Explorationsverhalten sind. Dies könne vorkommen, wenn Kinder die Bezugsperson zum einen als Sicherheitsgebend, aber zum anderen auch Quelle einer Angst wahrnehmen und nicht wissen, wie sie sich verhalten sollen. Dabei können Kinder zu unterschiedlichen Bezugspersonen auch unterschiedliche Bindungstypen haben. Außerdem könne sich der Bindungstyp mit der Zeit verändern.
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