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Es gibt viele verschiedene Erziehungsstile, die in der Bevölkerung verbreitet sind. Ein Erziehungskonzept, welches in diesem Zusammenhang eine Rolle spielt, ist die antiautoritäre Erziehung. Was genau bedeutet das? Wie gut ist dieser Erziehungsstil? Welche Folgen hat er?
Definition
Die antiautoritäre Erziehung ist kein klassischer Erziehungsstil, sondern vielmehr ein Erziehungskonzept mit vielen Hinter- und Leitgedanken. Wird heute an diese Erziehung gedacht, kommen Gedanken an Kinder, die tun und lassen können was sie möchten und oftmals respektlos sind, sowie Eltern, die sich komplett zurücknehmen und überhaupt keine Regeln oder Grenzen setzen, hoch. Aber stimmt das?
Die antiautoritäre Erziehung ist darauf ausgerichtet, den Kindern möglichst viel Freiraum für deren freie Entwicklung einzuräumen. Das bedeutet auch, dass Entscheidungen von Anfang an eigenständig durch die Kinder getroffen werden sollen und nicht von den Eltern vorgegeben werden. Starre Regeln und Vorschriften gibt es nicht, um die freie Entfaltung und Entwicklung, ohne den äußeren Einfluss, nicht zu behindern. Steht eine Entscheidung an, unterbreiten die Eltern viel mehr Vorschläge, Anregungen und Alternativen, zwischen denen sich die Kinder entscheiden können bzw. welche sie berücksichtigen können. Die Entscheidungsfreiheit der Kinder ist von großer Bedeutung. Die Konsequenzen ihrer Entscheidungen und Handlungen müssen die Kinder dabei selbst tragen, da sie diese auch selbstständig getroffen haben. Dennoch können unter Umständen Grenzen gesetzt werden, wenn diese die Kinder in ihrer Freiheit nicht zu sehr beschränken.
Die Kommunikation, ebenso wie das Miteinander zwischen den Erziehenden und den Kindern findet dabei auf einer Augenhöhe statt. Es gibt keine hierarchischen Strukturen zwischen Erziehenden und Kindern. Einige Eltern haben sich deshalb auch mit den Vornamen von ihren Kindern ansprechen lassen. Das Verhältnis zwischen Kindern und Erziehenden ist dabei von Respekt geprägt und freundlich.
Kinder erziehen sich in diesem Erziehungskonzept also quasi selbst und sollen sich so zu eigenständigen Personen entwickeln, die frei von äußeren Einflüssen und Zwänge sind. Sie sollen alles ausprobieren und machen können, was sie sich wünschen.
Entstehung
Um die antiautoritäre Erziehung zu verstehen, muss betrachtet werden, in welchem Kontext diese entstanden ist. Das Erziehungskonzept ist in den 60er und 70er Jahren unter anderem im Rahmen der damals stattfindenden Studentenbewegungen entstanden bzw. verstärkt aufgekommen.
Vorangetrieben hat sie die Generation junger Menschen, die mit dem Gegenteil dieser Erziehung groß geworden sind. Diese Generation hatte Eltern, die durch den 2. Weltkrieg gezeichnet und geprägt waren. Sie wurden streng autoritär erzogen. Disziplin, Gehorsam und Respekt vor Autoritäten wurde streng und oftmals unter Zwang eingefordert. Einige fühlten sich unterdrückt und in ihrer Entfaltung eingeschränkt.
Diese jungen Erwachsenen begannen sich aufzulehnen. Sie wollten ihre eigenen Kinder komplett anders erziehen, gänzlich frei von diesen starren Mustern und Autoritäten, um so deren freie Entwicklung zu ermöglichen.
Besonders stark ausgeprägt war diese Entwicklung in Berlin, wo sich sogenannte „Kinderläden“ entwickelten. Dahinter verbargen sich Kindergärten, die antiautoritär ausgerichtet waren und in denen die Kinder folglich frei entscheiden konnten, was sie machen wollten und wann sie dies taten.
Die antiautoritäre Erziehung war somit der komplette Gegenentwurf zu der streng autoritären Erziehung, die diese jungen Menschen selbst erfahren haben.
Folgen und Umsetzung heute
Die antiautoritäre Erziehung soll dabei die freie Persönlichkeitsentwicklung der Kinder garantieren. Durch die Entscheidungsfreiheit und die Entwicklung ohne äußere Einflüsse, soll zudem die Kreativität der Kinder gestärkt werden. Auch die Stärkung des Selbstwertgefühls, Selbstbewusstseins, Verantwortungsbewusstseins und der Eigenverantwortlichkeit wird angestrebt.
Viele Eltern sind dabei jedoch in der Vergangenheit über das Ziel hinausgeschossen und haben komplett ohne jegliche Regeln und Grenzen erzogen. Das wiederrum kann dazu führen, dass die Kinder egoistisch werden und Schwierigkeiten haben, sich Autoritäten unterzuordnen. Die sozialen Kompetenzen können ebenfalls negativ beeinflusst werden, denn die Kinder können dazu neigen, im Mittelpunkt stehen zu wollen. Außerdem kann es dazu kommen, dass es den Kindern schwerfällt, sich in andere hineinzuversetzen.
Das Pflichtgefühl kann sich ebenfalls nicht angemessen entwickeln, da Kinder eben in der Regel nur das tun, was ihnen Spaß macht. Pflichtaufgaben wie aufräumen oder Hausaufgaben erledigen bleiben dadurch oft einfach liegen. In einer regulären Schule haben diese Kinder demnach einige Schwierigkeiten zu erwarten.
Heute ist die antiautoritäre Erziehung in ihrer reinen Form kaum bis gar nicht mehr anzutreffen. Das Konzept erscheint überholt und hat oftmals einen schlechten Ruf. Dennoch hat dieses Erziehungskonzept maßgeblich zu heute weit verbreiten Erziehungsstilen, wie dem demokratischen Erziehungsstil beigetragen und den Weg für diese bereitet. Die Grundgedanken des Erziehungskonzeptes wurden weiterentwickelt und genutzt.
Fazit
Die antiautoritäre Erziehung soll den Kindern die maximale freie Entfaltung und Entwicklung ermöglichen. Die Kinder haben die Entscheidungsfreiheit darüber, was sie machen möchten. Eltern können Vorschläge und Alternativen unterbreiten, jedoch nichts vorschreiben. Einige Grenzen können gesetzt werden, solange sie die Kinder nicht einschränken. Erziehende und Kinder begegnen sich auf derselben Augenhöhe, das Miteinander ist freundlich. Entstanden ist das Erziehungskonzept in den 60er und 70er Jahren als Gegenentwurf zur streng autoritären Erziehung der vorherigen Generation. Die Kreativität der Kinder soll gestärkt werden, ebenso wie deren Selbstbewusstsein, Selbstwertgefühl, Verantwortungsbewusstsein und Eigenverantwortlichkeit gefördert werden sollen. Sie sollen sich frei von äußeren Beeinflussungen entwickeln können. Wird jedoch komplett auf Regeln verzichtet, kann Egoismus eine Folge sein, ebenso wie mangelnde soziale Kompetenzen, ein fehlendes Pflichtbewusstsein und folglich schulische Schwierigkeiten. Die antiautoritäre Erziehung ist heute nicht mehr verbreitet. Sie war jedoch ein Wegbereiter für heutige moderne Erziehungsstile.
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