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Ein Studium ist längst keine Ausnahme mehr, sondern ist eher zur Regel geworden. Immer mehr Menschen studieren und auch immer mehr Menschen in unterschiedlichen Lebenslagen. Heute heißt es Normalfall Studium. Dadurch ergeben sich auf ganz unterschiedlichen Dimensionen neue Perspektiven, aber auch Probleme, die es zu lösen gilt. Welche sind das? Was verändert sich? Welche Bereiche sind betroffen? Was muss passieren?

Studienanfängerzahl bleibt hoch

Der Normalfall Studium spiegelt sich zunächst in den Studienanfängerzahlen wieder. Das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) hat eine Modellrechnung zur Entwicklung der Studienanfängerzahlen bis 2050 herausgebracht. Demnach ist die Studienanfängerzahl bereits zwischen den Jahren 2005 und 2011 erheblich gestiegen. Seitdem beginnen jedes Jahr ungefähr 500000 Menschen ihr Studium. Bis 2030 wird dieses Hochplateau laut der Modellrechnung zwar leicht abfallen, aber im Jahr 2050 wieder auf ca. 426500 Studienanfänger steigen. Steigt die Studierneigung der Bevölkerung noch zusätzlich an, ist mit noch mehr Studierenden zu rechnen. Einen ausführlichen Artikel zu der Modellrechnung gibt es hier.

In dem Checkup März 2018 führt das CHE außerdem an, dass nicht nur immer mehr Menschen studieren, sondern dass die Studierendenschaft auch immer heterogener wird.  Immer mehr Studierende verfügen bereits über eine abgeschlossene Berufsausbildung, haben einen Migrationshintergrund oder eine gesundheitliche Beeinträchtigung.

Vielfalt des Studienangebots

Normalfall Studium bedeutet auch, dass es immer mehr Studiengänge gibt. Die Zahl der Studienangebote hat laut einer Studie des CHE (Im Blickpunkt – Zu viel Vielfalt?: Warum die Ausdifferenzierung der Studiengänge kein Drama ist) von 11000 im Wintersemester 2005/2006 auf über 19000 zugenommen. Dadurch ergeben sich sehr viel mehr Wahlmöglichkeiten, für angehende Studierende. Doch wer die Wahl hat, hat auch die Qual. Einfacher wird die Studienwahl dadurch nicht. Mit der steigenden Studierendenzahl ist auch die Zahl der Hochschulen und deren Standorten gestiegen. Seit 1990 sind knapp 400 Hochschulen dazu gekommen. Im Wesentlichen ist die Zunahme durch die Einführung des gestuften Studiensystems, der Bologna-Reform, zu erklären. Besonders an privaten Fachhochschulen sei dabei zwischen 2014 und 2017 die Zahl der Studienangebote gestiegen und zwar um fast 50 Prozent. Bei den Fächergruppen war Medizin bzw. die Gesundheitswissenschaften die mit der höchsten Zuwachsrate von 25 Prozent. Einen ausführlichen Artikel zu diesem Thema finden Sie hier.

Das CHE führt im Checkup März 2018 an, dass es angesichts der riesigen Auswahl an Studiengängen nicht verwunderlich sei, dass viele Studierende Probleme dabei hätten sich zu entscheiden. Es bestehe ein Matching-Problem zwischen Studieninteressierten und Studiengängen, obwohl es zentral für den Studienerfolg sei, den passenden Studiengang zu finden.

Teilzeitstudium noch immer eher die Ausnahme

Normalfall Studium bedeutet im Rahmen der zielgruppengerechten Studiengestaltung auch den zeitlichen Aspekt. Beispielsweise die Möglichkeit in Teilzeit zu studieren. Im CHE Checkup März 2018 wird hierzu eine weitere Studie des CHE vorgestellt, die das Angebot der Teilzeitstudiengänge in Deutschland abbildet. Demnach sind nur 12,8 Prozent aller Studiengänge explizit auch für Studierende in Teilzeit offen. Nur 6,8 Prozent der Studierenden lernen offiziell in Teilzeit. Als Gründe für die geringe Nachfrage werden das sehr überschaubare Angebot und die mangelnden Finanzierungsmöglichkeiten für Teilzeitstudierende angeführt. Teilzeitstudierende haben in Deutschland weder Anspruch auf BAföG, noch auf die reduzierten Krankenkassenbeiträge für Studierende. Außerdem seien ausgeschriebene Teilzeitstudiengänge nur unter bestimmten Bedingungen auch wirklich in Teilzeit studierbar. Als Beispiel werden eigene Kinder oder zu pflegende Angehörige angeführt, nicht aber das berufsbegleitende Studieren.

In Wirklichkeit würden aber mehr Studierende in Teilzeit studieren, als in tatsächlichen Teilzeitstudiengängen eingeschrieben sind. Sie sind also als Vollzeit Studierender eingeschrieben, wenden jedoch wöchentlich nicht mehr als 24 Stunden für das Studium auf.

Normalfall Studium – Herausforderungen

In dem CHE Checkup März 2018 werden aus den Ergebnissen dieser Studien Herausforderungen abgeleitet, die sich aus dem Normalfall Studium ergeben. Auf politischer Ebene würden sich verschieden Handlungsbedarfe ergeben, um eine bessere Gestaltung des Studiums zu ermöglichen. Zum einen müsse die Hochschulfinanzierung gesamtstaatlich, dauerhaft und verlässlich über den Hochschulpakt hinaus neugeordnet werden. Außerdem wird angeführt, die Studienfinanzierung solle reformiert werden. Wie bereits erwähnt, haben Teilzeitstudierende momentan keinen Anspruch auf Unterstützung durch BAföG und auch kein Anrecht auf ermäßigte Krankenkassenbeiträge. Dies solle verändert werden. Der Anspruch auf BAföG solle auch für Teilzeitstudierende gelten und auch sie sollten bis zu einer Einkommensgrenze ein Recht auf ermäßigte Krankenkassenbeiträge haben.

Bezogen auf die Hochschulen ergäben sich Handlungsbedarfe bezüglich der Vielfalt unter den Studierenden. So erfordere dies ein breites Angebot seitens der Hochschulen, um die unterschiedlichen Bedarfe und Voraussetzungen der Studierenden abzudecken. Angebote wie Brückenkurse oder Beratungsgespräche in der Eingangsphase des Studiums könnten in dem Zusammenhang dazu beitragen, die gestellten Anforderungen an die Studierenden zu verdeutlichen und ihnen gleichzeitig beim Erwerb von fehlenden Kompetenzen zu unterstützen. Außerdem wird hier auch wieder die Teilzeit Regelung aufgegriffen, welche nicht wirklich funktionieren würde und nicht genügend flexibel sei. Die Ausgestaltung müsse mit dem Alltag der Studierenden abgestimmt sein. Außerdem müsste die Anzahl der in Teilzeit studierbaren Studiengänge erhöht werden.

Der Normalfall Studium stellt also sowohl die Politik, als auch die Hochschulen vor Probleme und Herausforderungen, welche es in Zukunft zu lösen gilt

Das CHE Checkup März 2018 finden Sie hier:

Checkup 2018 (CHE)

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Über den Autor J Bohlken