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Die Geisteswissenschaften sind vielfach in unserer Gesellschaft noch mit Skepsis angesehen. Gängig ist das Vorurteil, dass Geisteswissenschaftler/innen alle Taxifahrer werden, da sie auf dem Arbeitsmarkt keine Perspektiven mit ihren Qualifikationen hätten. Aber wie sieht de Realität aus? Wie sehen die Perspektiven von Geisteswissenschaftler/innen aus?

Aktuelle Daten

Das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) hat in seinem IW-Report 32/19 „Geisteswissenschaftler auf dem Arbeitsmarkt: Berufe, Branchen, Karrierepositionen“ die Perspektiven von Geisteswissenschaftler/inne auf dem Arbeitsmarkt beleuchtet. Zunächst ging es um die Studierendenzahlen im Bereich der Geisteswissenschaften. Demnach habe es 2017/18 rund 342000 Studierende in diesem Bereich gegeben, wovon ca. ein Drittel ein Lehramtsstudium absolvierten. Das bedeute einen Zuwachs an Studierenden gegenüber 2007/08 um 24 Prozent, was allerdings unter dem allgemeinen Wachstum der Studierenden liege. Das zeige sich auch an dem Anteil der Geisteswissenschaftler/innen an allen Studierenden. Lag ihr Anteil 2007/08 noch bei ca. 14 Prozent, betrug er 2017/18 nur noch 12 Prozent. Ohne die Lehramtsstudierenden haben die Anteile jeweils 9 und 8 Prozent betragen. Gleiches gelte für die Zahl der Absolvent/innen. So hätten, ausgenommen der Lehramtsstudierenden, zwar mehr Personen einen Abschluss in diesem Bereich erworben, der Anteil derer an der gesamten Absolvent/innenzahl sei jedoch ebenfalls zurückgegangen.

Wie ist die Beteiligung am Arbeitsmarkt?

Bezogen auf die konkreten Perspektiven von Geisteswissenschaftler/innen auf dem Arbeitsmarkt wurden Daten aus dem Jahr 2016 ausgewertet. Ausgenommen aus der Betrachtung wurden Lehramtsstudierende. Demnach habe der Anteil der erwerbstätigen Geisteswissenschaftler/innen im Jahr 2016 5,6 Prozent an allen erwerbstätigen Akademiker/innen betragen, was relativ gering sei. Den größten Anteil hätten hingegen die Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler/innen gehabt.

Nun wurde sich der genaueren Betrachtung der Erwerbstätigengruppe in den Geisteswissenschaften gewidmet. Demnach gehe der größte Anteil innerhalb dieser Gruppe auf die Kultur-, Literatur- und Sprachwissenschaftler/innen und Germanist/innen zurück mit 32 Prozent. An zweiter Stelle würden mit 29 Prozent die Absolvent/innen der Bereiche Geschichte, Philosophie und Religionswissenschaften folgen. Platz drei belegen mit jeweils 25 Prozent die Fremdsprachen, Platz vier fällt mir 14 Prozent auf die Bibliotheks- und Dokumentationswissenschaften und die Journalistik. Wie man Journalist/in wird, können Sie hier erfahren.

Bezogen auf das Geschlechterverhältnis gebe es mehr Frauen, als Männer in diesem Bereich (65 Prozent). Dies stelle einen Unterschied zu den übrigen erwerbstätigen Akademiker/innen dar, da hier der Männeranteil mit 55 Prozent deutlich überwiege.

Die Quote der Erwerbslosen sei bei Geisteswissenschaftler/innen zwar mit 4 Prozent höher als die der Akademiker/innen mit 2,4 Prozent, aber dennoch liege diese unter der allgemeinen Quote der Erwerbslosen 2016.

Welche Beschäftigungsart herrscht vor?

Bezogen auf die Perspektiven von Geisteswissenschaftler/innen widmet sich der IW-Bericht auch der Art der Beschäftigung von Geisteswissenschaftler/innen. Die meisten seien demnach im öffentlichen Dienst beschäftigt (24 Prozent), wie auch die meisten Akademiker/innen allgemein (28 Prozent).

Dabei seien die meisten in unbefristeten Beschäftigungsverhältnissen. Dennoch würden sich 17,7 Prozent der Geisteswissenschaftler/innen in befristeten Beschäftigungen befinden, was mehr sei, als der Durchschnitt der Akademiker/innen mit 11,9 Prozent.

Die meisten würden einer Vollzeitbeschäftigung nachgehen. Dennoch liege der Anteil an Teilzeitbeschäftigungen mit 35 Prozent, im Vergleich zu den Akademiker/innen allgemein (22,4 Prozent), sehr hoch. Dies könne auf den überwiegenden Frauenanteil in diesem Bereich zurückzuführen seien, da Frauen häufiger in Teilzeitarbeitsverhältnissen stehen würden, als Männer. Die Beschäftigung in Teilzeit sei dabei in vielen Fällen selbst gewählt. So würden nur 11 Prozent der in Teilzeit beschäftigten Geisteswissenschaftler/innen sagen, dass dies unfreiwillig sei. Bei den Akademiker/inne allgemein würden dies sogar nur 7 Prozent angeben.

Geringfügig beschäftigt seien nur 6,1 Prozent, bei allen Akademiker/innen seien es 3,7 Prozent.

Selbstständig seien 19 Prozent der Geisteswissenschaftler/innen.Unter allen Akademiker/innen liege dieser Anteil geringer bei 15,6 Prozent. Dabei seien die meisten selbstständigen Geisteswissenschaftler/innen Solo-Selbstständig (87 Prozent), was einen höheren Anteil dieser Art der Selbstständigkeit unter ihnen als unter allen Akademiker/innen bedeute (58 Prozent). Diese Art der Selbstständigkeit könne eine Notlösung darstellen, müsse es aber nicht.

Die Perspektiven von Geisteswissenschaftler/innen auf dem Arbeitsmarkt seien demnach, bezogen auf diese Ergebnisse, nicht so problematisch, wie oftmals dargestellt. Zwar sei der Anteil an Teilzeitbeschäftigungen höher und auch die Erwerbslosenquote sei höher als bei den Akademiker/innen insgesamt, sie liege aber dennoch in der durchschnittlichen Erwerbslosenquote der gesamten Bevölkerung. Auch die übrigen Aspekte seien oft häufiger zutreffend bei den Geisteswissenschaftler/innen, als bei allen Akademiker/innen, würden aber bei weitem keine große Mehrheit unter ihnen betreffen.

Wo arbeiten Geisteswissenschaftler/innen?

Um die Perspektiven von Geisteswissenschaftler/innen weiter zu beleuchten, hat das IW sich in seinem Report auch damit beschäftigt, in welchen Berufen Geisteswissenschaftler/innen tätig sind und welchen Tätigkeiten sie nachgehen. Demnach sei das Spektrum, in dem sie tätig sind, breit. Der Schwerpunkt liege allerdings im Bereich der pädagogischen und kommunikativen Tätigkeiten. Insgesamt seien rund die Hälfte aller Geisteswissenschaftler/innen in den Bereichen Didaktik, Kommunikation und Sprachumgang tätig.

Auch bei den konkret ausgeübten Berufen sei die Bandbreite in den Geisteswissenschaften besonders breit, was bedeute, dass die Personen hier besonders flexibel zu sein scheinen in der konkreten Berufswahl. Dies könne vermutlich darauf zurückgeführt werden, dass Stellenausschreibungen häufig nicht direkt an Geisteswissenschaftler/innen gerichtet seien.

Auf Grundlage einer weitergehenden Analyse des IW zeigte sich, dass etwa 43 Prozent der Geisteswissenschaftler/innen in für ihr Studium untypischen Beschäftigungen tätig sind, was im Gegensatz zu allen Akademiker/innen ein sehr hoher Wert sei. Demnach könnten Geisteswissenschaftler/innen anscheinend ihre Kompetenzen auch in eher untypischen und studienfernen Bereichen einbringen.

Auch bezogen auf die Branchen, in denen Geisteswissenschaftler/innen tätig sind, ergebe sich ein ähnliches Bild. Während 46,6 Prozent in studienfachnahen Branchen tätig seien, seien 53,4 Prozent in studienuntypischen Branchen beschäftigt. Hier seien Geisteswissenschaftler/innen besonders häufig im Dienstleistungsbereich.

Sind die Beschäftigungen adäquat?

Auch die Adäquanz der Beschäftigung spielt bei den Perspektiven von Geisteswissenschaftler/innen eine Rolle, weshalb auch diese vom IW berücksichtigt wurde. Bezogen auf das Anforderungsniveau der ausgeübten Tätigkeit, seien rund 57 Prozent der Geisteswissenschaftler/innen auf dem höchsten Niveau beschäftigt. Unter allen Akademiker/innen seien es rund 63 Prozent. Allerdings sei der Anteil der Geisteswissenschaftler auf dem untersten Niveau, für welches kein Studienabschluss nötig ist, auch höher als der, der gesamten Akademiker/innen (jeweils ca. 24 und 18 Prozent). Würden allerdings nur Vollzeitbeschäftigte betrachtet werden, liege dieser Anteil nur noch bei 18 Prozent und somit nur noch 3 Prozentpunkte über dem der gesamten Akademiker/innen.

Bei den Vollzeitbeschäftigten und promovierten Geisteswissenschaftler/innen ist eine Beschäftigung auf dem höchsten Niveau hingegen deutlich häufiger. Ebenfalls einen Einfluss zu haben scheint die Tatsache, ob Geisteswissenschaftler/innen in studientypischen oder -untypischen Berufen und Branchen beschäftigt seien, denn diejenigen in typischen Berufen, seien deutlich häufiger auf dem höchsten Niveau beschäftigt. Auch das Alter scheine einen Einfluss zu haben, denn ältere Beschäftigte seien auch häufiger auf dem höchsten Niveau eingestellt. Auch das männliche Geschlecht scheinen einen positiven Einfluss zu haben.

Bezogen auf den Anteil der Personen in Führungspositionen, trifft dies nur auf rund 14 Prozent der Geisteswissenschaftler/innen zu, jedoch auf ca. 20 Prozent aller Akademiker/innen. Bezogen auf alle Führungs- und Aufsichtstätigkeiten seien Geisteswissenschaftler/innen deutlich seltener vertreten mit rund 9 Prozentpunkten weniger gegenüber allen Akademiker/innen. Auch hierbei scheinen die Faktoren Promotion, Berufserfahrung durch höheres Alter und männliches Geschlecht wieder begünstigende Faktoren zu sein.

Bezogen auf das Einkommen scheint es ebenfalls Unterschiede zu geben. So würden nur 8 Prozent der Geisteswissenschaftler/innen ein monatliches Nettoeinkommen von mindestens 4000 Euro erreichen, während es unter allen Akademiker/innen ca. 16 Prozent seien. Ein Einkommen von 2000 bis 4000 Euro erreichen demnach rund 44 Prozent der Geisteswissenschaftler/innen und 52 Prozent der Akademiker/innen. Weniger als 2000 Euro würden ca. 48 Prozent der Geisteswissenschaftler/innen und rund 32 Prozent der Akademiker/innen verdienen. Betrachte man nur die Vollzeitbeschäftigten, seien die Werte etwas günstiger, aber dennoch jeweils ca. 10 Prozentpunkte unter dem Niveau aller Akademiker/innen. Auch hier spielen demnach wieder die Faktoren Promotion, erreichte Berufserfahrung durch das Alter und das männliche Geschlecht eine wichtige Rolle.

Bezogen auf die Adäquanz der Beschäftigung und damit auch auf die Perspektiven von Geisteswissenschaftler/innen wird das Fazit gezogen, dass die Unterschiede in dem Bereich des Anforderungsniveaus am geringsten ausfallen. Größer seien die Unterschiede in den Bereichen Führungs- und Aufsichtstätigkeiten, sowie dem Einkommen, wobei Geisteswissenschaftler/innen hier schlechter gestellt seien. Betrachte man nur die Vollzeitbeschäftigten, würden die Unterschiede sich jedoch etwas verringern. Positiv beeinflussende Indikatoren scheinen dabei eine Promotion, Berufserfahrung durch ein höheres Alter und das männliche Geschlecht zu sein.

Hier finden Sie den IW-Report 32/19:

Geisteswissenschaftler auf dem Arbeitsmarkt: Berufe, Branchen, Karrierepositionen

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Über den Autor J Bohlken