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Dass Kinder beim Erlernen des Lesens und Schreibens anfänglich Fehler machen, ist ganz normal und gehört zum Lernprozess dazu. Halten die Probleme jedoch länger an, ohne dass sich Besserung zeigt, kann es sein, dass eine Legasthenie, also eine Lese-Rechtschreibstörung vorliegt. Spätestens dann fragen sich die Eltern: Hat mein Kind Legasthenie? Was sind Anzeichen? Wie geht man damit um?
Definition
Bevor die Frage „ Hat mein Kind Legasthenie? “ beantwortet werden kann, muss man sich darüber klar werden, was genau Legasthenie ist. Bei der Legasthenie bzw. Lese- und Rechtschreibstörung ist laut Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) das Erlernen der Schriftsprache erschwert. Diese Beeinträchtigung darf nicht durch das Entwicklungsalter, die Intelligenz, die Unterrichtsbedingungen, die Milieubedingungen oder nicht korrigierte Seh- und Hörprobleme erklärbar sein.
Die Fähigkeit im Gehirn, auditive (gehörte) und visuelle (gesehene) Informationen wahrzunehmen und dann zu verarbeiten, ist bei der Legasthenie beeinträchtigt. Zurückzuführen ist das auf Teilleistungsschwächen in der Wahrnehmung, Motorik und/oder sensorischen Integration.
Von der Störung betroffen ist zum einen das Lautbewusstsein. Damit ist die Fähigkeit gemeint, die Lautstruktur von Wörtern bewusst wahrzunehmen und Sprache in Wörter, Silben und Laute untergliedern zu können. Zum anderen ist auch das orthographische Wissen betroffen. Damit ist gemeint, dass das Wissen über die Rechtschreibung von Wörtern vorhanden ist, ebenso wie das Wissen, über grundsätzliche Rechtstreibregeln.
Die Lese-Rechtschreibstörung ist als schulische Entwicklungsstörung von der WHO anerkannt und steht im Diagnoseklassifikationssystem ICD-10 (F81.0 Lese- und Rechtschreibstörung). Sie beginnt meist früh und hat oft einen chronischen Verlauf.
Abzugrenzen ist hiervon die Lese-Rechtschreib-Schwäche (LRS), welche eine pädagogische Bezeichnung ist, die für leserechtschreibschwache Kinder, Jugendliche und Erwachsene steht. Anders als bei einer Legasthenie, kann LRS jedoch auch bei nicht wahrnehmungsgestörten Menschen vorliegen und kann vielerlei Gründe haben, wie beispielsweise das nicht zurechtkommen mit einer Unterrichtsform wie „Schreiben nach Gehör“. Bei leichter LRS reicht im Gegensatz zur Legasthenie meist Nachhilfeunterricht aus, um das Defizit auszugleichen. LRS ist daher eher als vorübergehende Schwäche zu betrachten und nicht als anerkannte Störung.
Ursachen
Auch die Ursachen einer Legasthenie spielen bei der Frage „ Hat mein Kind Legasthenie? “ eine Rolle. Sie sind noch nicht abschließend geklärt, aber es scheinen mehrere Faktoren eine Rolle zu spielen. Allgemein ist eine Lese- und Rechtschreibschwäche auf neurobiologische Funktionsstörungen zurückzuführen. Ein wichtiger Punkt in Bezug auf die Ursachen ist eine genetische Veranlagung. Haben beide Elternteile oder ein Elternteil eine Lese- und Rechtschreibstörung, so ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Kind ebenfalls eine solche Störung entwickelt, deutlich erhöht.
Aber auch die auditiven und visuellen Wahrnehmungsstörungen werden als mögliche Ursachen angesehen, ebenso wie Störungen des Lernens und des auditiven Gedächtnisses.
Symptome und Folgen
Denkt man über die Frage „ Hat mein Kind Legasthenie? “ nach, macht man sich vermutlich auch über Symptome Gedanken. Die Beeinträchtigung der Lesefähigkeit ist dabei laut WHO und ICD-10 das Hauptmerkmal einer Lese- und Rechtschreibstörung. Dabei muss die Leseleistung unter dem Niveau liegen, das aufgrund der allgemeinen Intelligenz, des Alter und der Klassenstufe zu erwarten ist. Mögliche Symptome, die in der frühen Phase des Erlernens der Schriftsprache auftreten können, sind:
- Schwierigkeiten, das Alphabet aufzusagen
- Schwierigkeiten, Buchstaben korrekt zu benennen
- Schwierigkeiten, einfache Wortreime zu bilden
- Schwierigkeiten, Laute zu analysieren und kategorisieren
Später kann es dann zu Leseschwierigkeiten und Leseverständnisschwierigkeiten kommen, wie:
- Wörter/Wortteile auslassen, verdrehen, ersetzen, hinzufügen, vertauschen
- Geringe Lesegeschwindigkeit, häufiges Stocken
- Schwierigkeiten Vorlesen zu beginnen, langes Zögern
- Zeile im Text verlieren
- Ungenaues Phrasieren
- Buchstaben in Wörtern vertauschen, auslassen
- Undeutliche, verwaschene Aussprache
- Schwierigkeiten, Laute miteinander zu verbinden
- Unfähigkeit, Gelesenes wiederzugeben, einzuordnen, daraus Schlüsse zu ziehen, daraus Zusammenhänge zu erkennen
- Verwendung von allgemeinem Wissen, bei inhaltlichen Fragen zum Text, statt Informationen aus dem Text selbst
Schwierigkeiten, die beim Schreiben auftreten können sind:
- Viele Fehler bei Diktaten und abgeschriebenen Texten: Schreiben der Wörter nur in Bruchstücken/Ruinen, mehrfache unterschiedliche Falschschreibung von Wörtern
- Viele Fehler in Grammatik und Zeichensetzung
- Unleserliche Handschrift, unterschiedliche Schriftgrößen im Text
Jede Legasthenie ist dabei anders und individuell. Die oben beschriebenen Symptome haben in der Regel aber noch weitreichendere Folgen, wie beispielsweise:
- Negatives Selbstbild/emotionaler Stress durch Versagensängste und Gefühl von Misserfolg
- Aggressionen, Unlust
- Psychosomatische Beschwerden (Bauchschmerzen, Übelkeit, …)
- Verringerte Lernmotivation
- Misserfolge in Schulfächern, in denen Lesen und Schreiben notwendig ist
Diagnostik
Wenn der Verdacht auf eine Lese- und Rechtschreibstörung vorliegt und man sich noch immer fragt „ Hat mein Kind Legasthenie? “, so ist der Gang zu einem Arzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie oder Kinder- und Jugendpsychotherapeuten angebracht. Hier wird eine Diagnostik durchgeführt, um festzustellen, ob wirklich eine Lese- und Rechtschreibstörung vorliegt.
Dabei kommen meist ein standardisierter Rechtschreibtest, ein ebenfalls standardisierter Lesetest und ein standardisierter Intelligenztest zum Einsatz. Außerdem wird ein Gespräch über die Entwicklung des Kindes (inkl. Sprechentwicklung), sowie über die familiäre Situation geführt. Ebenfalls einbezogen werden die schulischen Leistungen und das Verhalten des Kindes im Unterricht, anhand eines Schulberichts. Außerdem wird weitere Diagnostik durchgeführt, um andere Erkrankungen auszuschließen (bspw. Epilepsie, Seh- und Hörstörungen).
Was tun nach einer Diagnose?
Wurde die Frage „ Hat mein Kind Legasthenie? “ mit einem Ja beantwortet, ist das kein Grund zur Verzweiflung. Mit einer frühen Diagnose und einer ganzheitlichen Therapie, können große Lernfortschritte erzielt werden. Die Therapieangebote sind breit gefächert, weshalb diese kritisch überprüft werden sollten. Die Lerntherapie sollte eine pädagogisch-psychologische Förderung beinhalten, eine individuelle Förderung und Lehr- und Lernmethoden auf Grundlage therapeutischer Diagnostik. Außerdem sollten folgenden Schwerpunkte vorhanden sein:
- Lesetraining auf Basis des Stufenmodells ( von Frith), gezielt und individuell
- Rechtschreibtraining auf Basis des Stufenmodells (von Frith)
- Lernstrategien, Arbeitstechniken
- Psychotherapeutische Arbeit
- Motivationsstärkung des Kindes
Wie genau vorgegangen wird, sollte im Einzelfall entschieden werden, da die Förderschwerpunkte sehr unterschiedlich sein können. Deshalb sollten im Vorfeld die individuellen Lernvoraussetzungen, Schwierigkeiten, Bedürfnisse, Ziele und Stärken genau erfasst bzw. ermittelt werden.
Darüber hinaus sollte darauf geachtet werden, dass die gewählte Therapieform nachgewiesen wirksam ist.
Neben der Therapie spielt auch die Unterstützung in der Schule eine wichtige Rolle. Hier gibt es aber zum Teil große Unterschiede zwischen den Bundesländern, inwieweit Unterstützung möglich ist bzw. gewährleistet wird. Dabei liegt der Unterschied sowohl in der Quantität als auch der Qualität. Eltern sollten sich genau über rechtliche Regelungen und Möglichkeiten zur schulischen Förderung im jeweiligen Bundesland informieren. In der Regel gibt es die Möglichkeit zu einem Nachteilsausgleich oder Notenschutz.
Auch die familiäre Unterstützung ist wichtig. Hier ist vor allem die Stärkung des Selbstwertgefühls des Kindes wichtig. Es sollte kein unnötiger weiterer Druck auf das Kind aufgebaut werden, sondern dieser vielmehr genommen werden. Wollen Eltern ihr Kind darüber hinaus auch zuhause fördern, so sollte das mit der behandelnden Fachkraft abgesprochen und abgestimmt werden. Werden einige Voraussetzungen erfüllt, können auch Eltern unter Absprache spezifische Förderprogramme mit ihrem Kind durchführen, wenn das gewünscht ist.
Fazit
Stellen Eltern sich die Frage „ Hat mein Kind Legasthenie? “, sollten sie sich zunächst mit dem Thema auseinandersetzen. Es gibt einen Unterschied zwischen Legasthenie, also einer Lese- und Rechtschreibstörung und einer Lese-Rechtschreib-Schwäche. Das eine beschreibt eine anerkannte Störung, die meist chronisch verläuft. Das andere drückt aus, dass meist vorübergehende Defizite im Lesen und Schreiben vorliegen. Es gibt eine Reihe von Symptomen, die im Rahmen einer Legasthenie auftreten können. Wichtig ist, dass die Leseleistung unter dem Niveau liegt, welches aufgrund des Alter, der Intelligenz und der Klassenstufe erwartet werden kann. Neben der Leseleistung ist auch die Rechtschreibleistung oft stark beeinträchtigt. Ebenfalls häufig ist es, dass betroffene Kinder ein negatives Selbstbild haben und Schwierigkeiten in diversen Schulfächern aufweisen. Steht der begründete Verdacht einer Legasthenie im Raum ist es deshalb ratsam, einen Kinder- und Jugendpsychiater oder –psychotherapeuten zur diagnostischen Abklärung aufzusuchen. Bestätigt sich der Verdacht, kann eine Therapie begonnen werde, in der gute Erfolge erzielt werden können. Auch die schulische Förderung sollte abgeklärt werden. Im Fokus der elterlichen Unterstützung sollte die Verbesserung des Selbstwerts stehen und das rausnehmen von Druck.
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