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Wer zu einem Studium zugelassen wird und unter welchen Voraussetzungen ist in Deutschland gesetzlich festgelegt. Bei Studiengängen mit einer hohen Bewerberzahl ist der Numerus Clausus (NC) das entscheidende Auswahlkriterium. Dieser richtet sich nach der Abiturnote. Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch in seinem Urteil im Dezember 2017 die aktuelle Hochschulzugangsregelung für das Medizinstudium stark kritisiert. Das könnte jetzt auch Auswirkungen auf andere Fächer haben. Ist die Hochschulzugangsregelung im Umbruch? Wenn ja, inwiefern? Was kann sich ändern?

Die aktuelle Hochschulzugangsregelung

In dem IW-Report 22/18 „Wer bekommt einen Studienplatz? Die Regelung des Hochschulzugangs im Umbruch“ wird die Hochschulzugangsregelung in den Blick genommen und Chancen für neue Regelungen aufgezeigt und diskutiert. Zunächst wird die aktuelle Hochschulzugangsregelung in den Blick genommen. Theoretisch berechtigt eine Hochschulzugangsberechtigung zum Studieren an jeder Hochschule in Deutschland, egal in welchem Fach. Als Hochschulzugangsberechtigung gilt klassischer Weise das Abitur, aber auch das Fachabitur, bestimmte berufliche Qualifikationen und zum Teil eine Berufsausbildung. Gibt es nun aber zu viele Studieninteressierte für einen Studiengang, muss der Hochschulzugang geregelt werden. Das erfolgt durch den NC. Maßgeblich hierfür ist die Abiturnote. Dieser kann bundesweit oder örtlich geregelt sein. Genauere Informationen zum NC finden sie hier. Außerdem wird ein bestimmter Anteil der Studienplätze an Studieninteressierte mit vielen Wartesemestern verteilt, genauso wie ein bestimmter Anteil der Plätze an ausländische Bewerber geht. Außerdem haben die Hochschulen die Möglichkeit, bis zu 60 Prozent der Studienplätze nach eigenen Auswahlverfahren zu vergeben.

Aktuell ist die maßgebliche Größe beim Hochschulzugang die Abiturnote. Ein Großteil der Hochschulen mit NC nutzt diese als entscheidenden Faktor bei der Hochschulzulassung. Eine Minderheit von Hochschulen versucht darüber hinaus durch eigene Eignungsfeststellungsverfahren Kompetenzen der Bewerber zu erfassen, die nicht auf Schulwissen basieren. Hierfür gibt es jedoch enge rechtliche Grenzen, da die Zugangsberechtigung zu einem Hochschulstudium mit dem Abitur verknüpft und grundgesetzlich abgesichert ist.

Kritik des Bundesverfassungsgerichts

Der IW-Report nimmt als nächstes das Urteil des Bundesverfassungsgerichts in den Blick. Dieses hat sich mit der Hochschulzugangsregelung im Fach Humanmedizin auseinander gesetzt. Dabei wurde die Abiturnote als Kriterium vor allem im Auswahlverfahren kritisiert. Die Abiturnoten seien auf Bundesebene schwer vergleichbar und es brauche deshalb Landesquoten in den Auswahlverfahren der Hochschulen. Eine Relationierung der Noten auf Zentralebene sei hier eine Möglichkeit, um die Vergleichbarkeit der Abiturnoten der einzelnen Länder zu gewährleisten. Außerdem wurde kritisiert, dass es keine breit angelegten Eignungskriterien gäbe. Die Abiturnote würde die Unterschiede in der Eignung der Bewerber nicht klar erfassen und zeigen. Deshalb müssten auch andere Kriterien genutzt werden. Des Weiteren könne die Abiturnote nur begrenzt Aussagen über die berufliche Eignung geben. Ob jemand gut mit Patienten umgehe oder nicht, könne nicht durch die Abiturnote vorhergesagt werden. Deshalb sei es auch hier nötig, ein weiteres Kriterium einzuführen. Vorgeschlagen wurden hierzu Studierfähigkeitstests, Berufsausbildungen und –tätigkeiten und Auswahlgespräche von den Hochschulen. Als weiteres Argument für die Einführung von weiteren Kriterien wird die gleichberechtigte Teilhabe an der Möglichkeit zu Studieren angeführt, die aktuell nicht gegeben sei.

Bei den aktuellen Auswahlverfahren der Hochschulen wird durch das Gericht bemängelt, dass Kriterien nicht gesetzlich festgelegt seien und es auch keine gesetzliche Verpflichtung zu einer Standardisierung und Strukturierung der Verfahren gäbe. Auch die Eignungsfeststellungsverfahren müssten standardisiert und strukturiert sein, um Diskriminierungen vorzubeugen.

Neben dieser Kritik der Hochschulzugangsregelung im Hinblick auf die Abiturnote, wird auch das Kriterium der angegeben Ortspräferenz kritisch vom Bundesverfassungsgericht gesehen. Als welche Priorität die Hochschule von den Bewerbern angegeben werde, dürfe kein Kriterium für das Auswahlverfahren sein. Dies sei nur zulässig, wenn die Hochschule aufwendige und individualisierte Verfahren durchführen würde.

Auch die Wartezeitquote wird kritisiert. So sei eine hohe Wartezeit von vier und mehr Jahren eher kontraproduktiv, da durch eine zu lange Wartezeit die schulischen Voraussetzungen an Bedeutung verlieren würden. Um die Wartezeitquote angemessen auszugestalten wird vorgeschlagen, sie mit Eignungselementen zu verbinden.

Zukünftige Hochschulzugangsregelung

Was bedeutet dieses Urteil des Bundesverfassungsgerichts jetzt für die Hochschulzugangsregelung und das Auswahlverfahren? Für das Medizinstudium lässt sich festhalten, dass es hier bereits valide Instrumente gibt, um auch Bewerber auszuwählen, die nicht zu jenen mit Abiturbestnote gehören. Der IW-Report stellt diese vor. Hierzu zählen der Test für Medizinische Studiengänge (TMS), Multiple Mini-Interviews (MMI) (bei denen beruflich Qualifizierte besser abschnitten, als nicht beruflich Qualifizierte) und klassische Auswahlgespräche. Sie seien dafür geeignet relevante Kompetenzen für den Studienerfolg zu ermitteln, die über die Schulbildung hinausgehen.

Wie genau die zukünftige Hochschulzugangsregelung im Fach Medizin aussehen wird, ist noch nicht festgelegt. Es gibt jedoch Modelle zur Studienplatzvergabe in der Humanmedizin, die ebenfalls im IW-Report dargestellt werden. Demnach solle es drei Auswahlstufen geben, in denen die Bewerber ausgesucht werden. Hierbei sollen die Abiturnote (nach einem Ausgleichsverfahren für landesspezifische Unterschiede), die Ergebnisse des TMS, berufliche Erfahrung und eigene Verfahren der Hochschulen mit einbezogen werden.

Aber auch in anderen Fächern zeigte sich, dass ein erfolgreicher Studienabschluss wahrscheinlicher ist, wenn nicht nur die allgemeine Studierfähigkeit durch das Abitur berücksichtigt wird, sondern auch studiengangspezifische Studierfähigkeiten und berufsrelevante Kompetenzen. Geeignet hierfür seien Punktesysteme, die auf Ergebnissen von fachspezifischen Studierfähigkeitstests beruhen und auch berufspraktische Erfahrungen und strukturierte Auswahlgespräche berücksichtigen. Außerdem sei die Überprüfung der Studienmotivation wesentlich für Eignungsfeststellungsverfahren.

Diskutiert wird laut IW-Report auch die Einführung einer Finanzierungskomponente, die von der Absolventenzahl abhängig ist. Um hierbei einer Fixierung auf quantitative Ergebnisse und dem Verlust der Studienqualität entgegenzuwirken, könnten Eignungsfeststellungsverfahren genutzt werden. So sei sichergestellt, dass vor allem Studierende angenommen werden würden, die voraussichtlich einen erfolgreichen Abschluss erreichen werden. Mit dieser Finanzierung abhängig von der Absolventenquote, wäre ein Anreiz für die Hochschulen geschaffen, ihre Bewerber selbst auszuwählen.

Der IW-Report greift darüber hinaus auf, dass eine funktionierende bundesweite Koordinierung der Studienplatzvergabe von großer Bedeutung sei. So könnten Mehrfachbewerbungen und Nachrückverfahren organisiert werden. Außerdem sei es notwendig, dass Bewerber einen vertieften Einblick in die Auswahlverfahren und ihre Details erhalten würden, um die Zugangschancen so zu gewährleisten. Es gäbe sowohl im praktischen Verfahren, als auch in den rechtlichen Anforderungen Probleme, weshalb eine rechtliche und praktische Regulierung der Studienplatzvergabe durch ein Bundeszulassungsgesetz nötig sei. Bund und Ländern sollten also für eine technisch und auch organisatorisch verbesserte Koordinierung der Hochschulzulassung auf Bundesebene gemeinsam agieren.

Die Entwicklung einer neuen Hochschulzugangsregelung sei außerdem durch die Knappheit von Studienplätzen belastet. So gäbe es immer mehr Studieninteressenten, aber die Finanzierung der Hochschullehre habe damit nicht Schritt gehalten. Die Studienkapazitäten müssten sowohl durch staatliche Mittel, als auch durch private Mittel erweitert werden. Staatliche Mittel könnten zu einer Verbesserung der Lehrqualität durch die Möglichkeiten der Digitalisierung eingesetzt werden, ebenso wie zu einer Vergrößerung der Studienkapazität. Private Mittel, wie Studiengebühren, könnten darüber hinaus ebenfalls zu einer größeren Studienkapazität führen, denn die Beseitigung der Studienknappheit könne nicht allein durch öffentliche Mittel finanziert werden.

Wie genau die Hochschulzugangsregelung in Zukunft aussehen wird, ist somit noch nicht klar. Klar hingegen ist, dass die aktuelle Hochschulzugangsregelung nicht optimal ist, auch in Fächern außerhalb der Medizin. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts könnte also ein Anstoß zu einer Veränderung in allen Studienfächern sein.

Hier finden Sie den IW-Report 22/18:

IW-Report 22/18: „Wer bekommt einen Studienplatz? Die Regelung des Hochschulzugangs im Umbruch“

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Über den Autor J Bohlken